The Chris Barbers Jazz & Blues Band | 31.10.1997

Donaukurier | Reinhard Köchl
 

„Es ist eine Freude, zu spielen wieder in diese schöne Stadttheater. Wir lieben es, zu kommen nach Neuburg.“ So wie Chris Barber ins Mikrophon radebrecht, stellt man sich seit „Asterix bei den Briten“ den typischen Insulaner vor. Subjekt – Prädikat – Objekt, akurat, auch in der Übersetzung. Die mittlerweile 67jährige, in Wahrheit mit wesentlich besseren Deutschkenntnissen ausgestattete Gallionsfigur des Oldtimejazz weiß um den Gute-Laune-Effekt solcher Wortkaskaden und verabreicht sie wohldosiert und mit jeder Menge augenzwinkerndem Understatement dem aufgekratzten Auditorium.

Wer lernen will, wie spritziges Entertainment und perfektes musikalisches Handwerk zu einem herzerfrischenden, unbeschwerten Konzerterlebnis verschmolzen wird, der kommt an Barbers legendärer „Jazz & Bluesband“ nicht vorbei. Auch im 43. Jahr ihres Bestehens weiß die muntere Combo um den englischen Posaunisten, was ein Marktführer seinem treuen Publikum schuldig ist. Niemand in Europa und nur ganz wenige Ensembles in New Orleans, der Wiege des Jazz, transportieren die Urwüchsigkeit dieser Erfindung eines Jerry Roll Morton oder King Oliver authentischer, echter.

Chris Barber – und dies gilt es als Fazit seines mittlerweile dritten Auftrittes in der Ottheinrichstadt mit allem Respekt festzustellen – fungiert heute mehr denn je vor allem in Deutschland als penibler Museumsführer, als emsiger Restaurator, als kluger Bewahrer einer stets totgesagten, aber immer wieder auferstandenen Musikrichtung. Dem gelernten Juristen aus London käme es nie in den Sinn, mit wertvollem Erbgut wie der „Bourbon Street Parade“, dem „Tin Roof Blues“ oder „Down By The Riverside“ billigen Schabernack wie die Armada der vielen unerträglichen Bierdixie-Kapellen zu treiben.

Im Gegensatz zu seinen letzten Neuburg-Gastspielen 1991 und 1992, als Barber den Eindruck leicht unterkühlter Routine nur schlecht verbergen konnte, lebte sein jüngster, kurzfristig von der neuen Mehrzweckhalle ins Stadttheater verlegter Gig von wiederentdeckter, geradezu ansteckender Spielfreude. Die Soli des süßlich-schwelgenden Saxophonisten John Crocker wirkten endlich einmal spontan, Barbers alter Kampfgefährte Pat Halcox an der Trompete überzeugte mit ungebrochen geschliffener Phrasierung und der Meister höchstpersönlich gab sich als standhafter Vertreter eines kernigen Tailgate-Posaunen-Glissandos.

Die eigentliche Überraschung (und für einige hartgesottene Dixielandfans durchaus auch ein wenig Enttäuschung) lag jedoch in der enormen Vielseitigkeit des Oktetts. Wer Chris Barber kennt, weiß, daß Blues von jeher ganz essentiell zu seinen Bühnenshows gehört. In „Goin` Down Louisiana“ klang das geschrumpfte Ensemble um den grandiosen Gitarristen John Slaughter und Barber als näselnder Muddy-Waters-Kopie hart, rauh, phasenweise – welche Ironie – wie einst die Bluesrockband „Free“.

Weitere wohlige Wechselbäder der Gefühle in ständig rotierenden Besetzungen: das powerartige Duo von Drummer Alan „Sticky“ Wickett und Bassist Vic Pitt in „The Big Noise“, die verwegene Zeitreise von Klarinettist Ian Wheeler und Paul Sealy, der wie weiland Gründungsmitglied Lonny Donegan im High-Speed-Tempo über`s Banjo skiffelte, oder die distinguiert-launische Altherren-Gesangscombo bei Uralt-Klassikern wie „It`s Tide Like This“ sowie dem unvermeidlichen „Icecream“. Chris Barber selbst würde es vielleicht so formulieren: Er scheint zu sein ein altersloses Phänomen und ein unverrückbarer Qualitätsmaßstab, ist er nicht?