The Canadian Jazz Collective | 12.05.2023

Donaukurier | Karl Leitner
 

Eine spezifische und landestypische Spielform des Jazz sucht man natürlich vergebens, aber es gibt nördlich der Grenze zu den in dieser Hinsicht nach wie vor maßgeblichen USA durchaus eine zwar kleinere aber feine kanadische Jazzszene zwischen Halifax und Vancouver, also quasi Jazz im Zeichen des Ahornblatts statt unter dem Banner mit den Stars and Stripes.

An exponierter Stelle innerhalb besagter Szene steht das Canadian Jazz Collective mit Kirk MacDonald am Tenorsaxofon, Derrick Gardner an der Trompete, Lorne Lofsky an der Gitarre, der Klarinettistin Virginia MacDonald, dem Kontrabassisten Neil Swainson und dem Pianisten Brian Dickinson. Dazu kommt aus Graz Schlagzeuger Bernd Reiter, der auch für die Planung der derzeitigen Europatournee des Septetts mit Zwischenstation im Neuburger Birdland Jazzclub zuständig ist. Der eine Teil des Programms besteht aus Stücken des – weil in den legendären MPS-Studios in Villingen eingespielten und also nicht nicht umsonst mit „Septology / The Black Forest Sessions“ betitelten – Debutalbums der Band, der andere ist noch nicht auf CD erhältlich, was sich jedoch in Bälde ändern wird, denn bereits einen Tag nach dem Birdland-Konzert gibt die Band ein Gastspiel im berühmten „Ronnie Scott’s“ in London, das für ein Nachfolgealbum mitgeschnitten wird.

Wie eine Klammer rahmen mit „Dig That!“ und „My Shining Hour“ zwei swingende Mainstream-Nummern die beiden Sets ein. Dazwischen geht’s auch mal in Richtung Bebop, Latin und Modern Jazz inklusive hochinteressanter Modifikationen berühmter Vorlagen. So wird aus Victor Young’s „Stella By Starlight“ einfach nur „Starlight“ und aus Thelonious Monk’s „Well You Needn’t“ kurzerhand „Waltz You Needn’t“, wobei das Original zwar im Hinterkopf irgendwie mitläuft, aber der davon abweichende Ansatz der Bandkomponisten Gardner, MacDonald und Lofsky doch deutlich im Mittelpunkt steht. Und die eigenen Nummern? Einige von ihnen sind in der Tat denkwürdig. Zum Beispiel das fast 20-minütige „Life Cycles“ mit hinreißendem Thema, zwar melodisch und rhythmisch ziemlich vertrackt, aber dennoch mit enormem Groove ausgestattet. Jeder gibt in dieser großartigen Nummer auf höchst bemerkenswerte Weise seine solistische Visitenkarte ab, wobei in Summe natürlich schon die drei Bläser den Ton angeben und den Sound dominieren.

Leider ist das Klangbild der Gitarre zu verwaschen, matschig und gleichzeitig zu laut, so dass sie zwar nicht die Bläser überdeckt – dafür sind die schlicht zu mächtig – aber doch den Pianisten zeitweise zu sehr in den Hintergrund drängt. Was zwar die Soundqualität beeinträchtigt, nicht jedoch die enorme Musikalität der einzelnen Akteure. Die flüssigen Linien Virginia MacDonalds, der satte Klang des Tenorsaxofons, der auch ohne Mikrofon messerscharfe Ton Derrick Gardners und der Puls der Rhythm-Section hinterlassen einen hervorragenden Eindruck und wenn die für den nächsten Tag geplante CD-Einspielung in Soho ebenso gut klappt wie die Generalprobe in Neuburg, könnte man sogar vorab schon mal eine Kaufempfehlung für den Tonträger aussprechen. Und etwaige Soundprobleme könnte man in diesem Fall ja sogar notfalls nachträglich korrigieren.