(Audi Forum Ingolstadt)
Chris Barber ist glatte 80, steht seit über 60 Jahren mit der Posaune auf den Bühne. Die professionelle Chris Barber’s Jazzband entstand im Januar 1953, besteht in wechselnden Besetzungen bis heute unverdrossen fort. So hat es hat seinen ganz eigenen Charme, wenn ein Mann, der schon in den 50ern ein Star war, lange vor dem Siegeszug der Rockmusik, die gute alte Zeit des Jazz heraufbeschwört. Dabei ist der Dixieland-Jazz, für den Chris Barber steht, selbst schon ein Revival, erinnernde und vergegenwärtigende Antwort bereits auf die damalige Moderne.
Was allerdings zählt im Audi Forum Ingolstadt, wo der Ehrendoktor der Universität Durham mitsamt seiner zum Tentett erweiterten Big Chris Barber Band bereits zum zweiten Mal auftritt, ist der lebendige Jazz, die prickelnd perlende Essenz einer Musik ohne Staub und Spinne. Was nicht nur an den quirligen Arrangements liegt, sondern auch an der guten Mischung von Jung und Alt in der Band und der ungebrochen frischen Ausstrahlung von Vitalität, Jugend und Optimismus. Allem reichlich gebotenem Blues zum Trotz!
Zuweilen wird die große Formation reduziert zum Sextett, die prallen Bläsersätze werden abgelöst vom flockigen Spiel der Klanggirlanden, wie sie in New Orleans vor ziemlich genau hundert Jahren wohl zum ersten Mal erklangen. Dann aber heißt’s wieder alle Mann an Bord und „Merry Go Round“ mit dem „Ellington Jubilee Stomp“!
Natürlich gibt’s die typischen Barber-Lieblinge, „Bourbon Street Parade“, „Jungle Night in Harlem“, „A Spell of The Blues“, selbstredend darf „Petite Fleur“ nicht fehlen, auch nicht der „C Jam Blues“ und die guten alten „Saints“.
Altherrenjazz? Ja klar, trotz des Ausflugs in die modale Moderne mit Miles Davis‘ „All Blues“. Und doch: Auch mit 80 atmet die Musik Chris Barbers noch mehr Neugier als Routine, gibt’s im klug gewebten Zusammenklang erfrischender Arrangements sehr erfreuliche Soli u.a. von Peter Rudeforth und Mike „Magic“ Henry an den Trompeten, Richard Exall, der jungen Amy Roberts und dem herausragenden David Horniblow an den Saxophonen sowie dem brillanten Bob Hunt an der Posaune.
Auch Chris Barber selbst erkundet sein Instrument noch immer nach Klang und Variablen, nie klingt satt und abgedroschen, was er spielt. Selbst die gute alte „Ice Cream“, die Barber grob überschlagen wohl bald zehntausend mal gegeben haben dürfte, zerfließt nicht in aufgewärmter Gemütlichkeit, sondern teilt ihre freche Frische und den Spirit des Jazz mit dem begeisterten Publikum wie weiland in den Fünfzigern.