Thad Jones @ 100 | 29.11.2024

Donaukurier | Karl Leitner
 

Gerade mal vor einer Woche feierte die Band Pure Desmond im Rahmen des 14. Birdland Radio Jazz Festivals den 100. Geburtstag von Paul Desmond, nun richtet eine international besetzte All Star-Truppe die Feierlich­keiten für Thad Jones aus, der zwar be­reits im März letzten Jahres das Jahrhun­dert vollendet hätte, eine Würdigung aber auch mit leichter Verzögerung ver­dient hat. Die Verspätung dürfte dem Umstand geschuldet ist, dass nicht ein­mal ein umtriebiger Organisator wie Bernd Reiter eine hochkarätige Beset­zungsliste wie diese einfach mal so auf die Minute ge­nau aus dem Hut zau­bern kann.

Zusammen mit seinem österreichischen Landsmann Oliver Kent am Flügel ste­hen neben ihm selbst am Schlagzeug Joe Magnarelli aus Syracuse, New York (Trompete, Flügelhorn), Dick Oatts aus des Moines, Iowa (Altsaxofon), Gary Smulyan aus New York City (Baritonsa­xofon) und der kanadische Kontrabassist Neil Swainson aus Victoria, B.C. auf der Bühne, legen sich beim letzten Gig ihrer zweiwöchigen Europatour mächtig ins Zeug, im Gepäck richtig viel Lust auf die kom­menden 140 Minuten hier im Bird­land und unter dem Titel „Thad Jo­nes Centennial“ eine brandneue CD mit all den Stücken, die die Handschrift Jo­nes’s als Komponist oder Arrangeur tra­gen und das Gerüst der beiden Sets bil­den.

Das Konzert ist geprägt von Spielfreu­de, Spritzigkeit, jeder Menge persönli­cher Ideen, die sich so herrlich verbinden lassen mit denen, die Thad Jones einst hatte, als er für Count Basie, Duke El­lington, Thelonious Monk und seine ei­gene Thad Jones/Mel Lewis Big Band spielte, schrieb und arrangierte. „The In­terloper“, „Three And One“, „April In Paris“ und „Love Walked In“ stehen auf der Setlist, dauern teils bis zu 15 Minu­ten, weil jeder der Musiker in den Soli, die man als Zuhörer – so man will – so wunderbar „mitdenken“ kann, immer wieder neue Geschichten zu erzählen hat. Spannende, witzige, lebensfrohe und melancholische.

Wie die Bläser angesichts Burt Bacha­rach’s „Wives And Lovers“ Jones’s sen­sationelle Arrangements geradezu in den Saal feuern ist schon denkwürdig, den nachhaltigsten Eindruck aber hinterlas­sen wieder einmal die Balladen, bei de­nen sich wie immer am eindrücklichsten offenbart, was eine Band wirklich auf dem Kasten hat. Mit „A Child Is Born“ vor und „Stardust“ nach der Pause gelin­gen dem Sextett absolut großartige Mo­mente. Man fühlt einerseits die Kraft und die Intensität hinter diesem Ensemble, aber auch dessen Gespür dafür, wie man mit deren Hilfe Nuancen kreiert. Man setzt auf Zwischentöne, nicht auf Vollgas Hur­ra! und Volle Kraft voraus! – Was für eine schöne Idee, dem großen Thad Jo­nes zum Geburtstag zu gratulieren und das auch noch auf so originelle und be­eindruckende Weise.

Jubiläen wie diese kommen natürlich beim Publikum bestens an. So auch die­ses. Man muss sich nicht um die Organi­sation und den Ablauf kümmern, be­kommt absolute Hochkaräter geboten und kann sich einfach hinsetzen und sie genießen. Und das an einem ganz nor­malen Frei­tagabend quasi vor der Haus­türe. Das könnte man öf­ter haben. Kann man wohl auch, denn zum Glück würde im August nächsten Jahres Oscar Peters­on hundert. Der hat ja eine ganz beson­dere Verbindung zum Birdland in Neu­burg und es wäre schon sehr verwunderl­ich, wenn sich dieses Ereignis nicht im Jahresprogramm des Jazzclubs für 2025 niederschlagen würde.