Gerade mal vor einer Woche feierte die Band Pure Desmond im Rahmen des 14. Birdland Radio Jazz Festivals den 100. Geburtstag von Paul Desmond, nun richtet eine international besetzte All Star-Truppe die Feierlichkeiten für Thad Jones aus, der zwar bereits im März letzten Jahres das Jahrhundert vollendet hätte, eine Würdigung aber auch mit leichter Verzögerung verdient hat. Die Verspätung dürfte dem Umstand geschuldet ist, dass nicht einmal ein umtriebiger Organisator wie Bernd Reiter eine hochkarätige Besetzungsliste wie diese einfach mal so auf die Minute genau aus dem Hut zaubern kann.
Zusammen mit seinem österreichischen Landsmann Oliver Kent am Flügel stehen neben ihm selbst am Schlagzeug Joe Magnarelli aus Syracuse, New York (Trompete, Flügelhorn), Dick Oatts aus des Moines, Iowa (Altsaxofon), Gary Smulyan aus New York City (Baritonsaxofon) und der kanadische Kontrabassist Neil Swainson aus Victoria, B.C. auf der Bühne, legen sich beim letzten Gig ihrer zweiwöchigen Europatour mächtig ins Zeug, im Gepäck richtig viel Lust auf die kommenden 140 Minuten hier im Birdland und unter dem Titel „Thad Jones Centennial“ eine brandneue CD mit all den Stücken, die die Handschrift Jones’s als Komponist oder Arrangeur tragen und das Gerüst der beiden Sets bilden.
Das Konzert ist geprägt von Spielfreude, Spritzigkeit, jeder Menge persönlicher Ideen, die sich so herrlich verbinden lassen mit denen, die Thad Jones einst hatte, als er für Count Basie, Duke Ellington, Thelonious Monk und seine eigene Thad Jones/Mel Lewis Big Band spielte, schrieb und arrangierte. „The Interloper“, „Three And One“, „April In Paris“ und „Love Walked In“ stehen auf der Setlist, dauern teils bis zu 15 Minuten, weil jeder der Musiker in den Soli, die man als Zuhörer – so man will – so wunderbar „mitdenken“ kann, immer wieder neue Geschichten zu erzählen hat. Spannende, witzige, lebensfrohe und melancholische.
Wie die Bläser angesichts Burt Bacharach’s „Wives And Lovers“ Jones’s sensationelle Arrangements geradezu in den Saal feuern ist schon denkwürdig, den nachhaltigsten Eindruck aber hinterlassen wieder einmal die Balladen, bei denen sich wie immer am eindrücklichsten offenbart, was eine Band wirklich auf dem Kasten hat. Mit „A Child Is Born“ vor und „Stardust“ nach der Pause gelingen dem Sextett absolut großartige Momente. Man fühlt einerseits die Kraft und die Intensität hinter diesem Ensemble, aber auch dessen Gespür dafür, wie man mit deren Hilfe Nuancen kreiert. Man setzt auf Zwischentöne, nicht auf Vollgas Hurra! und Volle Kraft voraus! – Was für eine schöne Idee, dem großen Thad Jones zum Geburtstag zu gratulieren und das auch noch auf so originelle und beeindruckende Weise.
Jubiläen wie diese kommen natürlich beim Publikum bestens an. So auch dieses. Man muss sich nicht um die Organisation und den Ablauf kümmern, bekommt absolute Hochkaräter geboten und kann sich einfach hinsetzen und sie genießen. Und das an einem ganz normalen Freitagabend quasi vor der Haustüre. Das könnte man öfter haben. Kann man wohl auch, denn zum Glück würde im August nächsten Jahres Oscar Peterson hundert. Der hat ja eine ganz besondere Verbindung zum Birdland in Neuburg und es wäre schon sehr verwunderlich, wenn sich dieses Ereignis nicht im Jahresprogramm des Jazzclubs für 2025 niederschlagen würde.