Klaus Ignatzek Quartett | 30.11.2024

Donaukurier | Karl Leitner
 

Es gibt Musiker, die sind immer präsent, werden aber den­noch gerne übersehen. Klaus Ignatzek, Pianist, Komponist und Dozent, hat 65 Aufnahmen unter eigenem Namen mit nahezu 300 Stücken veröffentlicht, ist auf Alben von Dave Liebman, Joe Hen­derson und Roman Schwaller zu hören, stand aber im Rampenlicht nie ganz vor­ne. Obwohl er dort eigentlich hingehörte, ist er doch einer der besten Jazzpianisten hierzulande.

Nun ist der mittlerweile 70-jährige nach längerer Pause wieder mal im Birdland Jazzclub in Neuburg zu Gast, hat mit Florian Trübsbach am Tenor- und So­pransaxofon, Sven Faller am Kontrabass und Christian Schoenefeldt am Schlag­zeug eine mit absoluten Könnern besetz­te Band mitgebracht und ist – was sich auch beim Konzert niederschlägt – ein Paradebeispiel für einen Künstler, der gerade „einen Lauf hat“. Innerhalb der letzten zwei Wochen habe er, wie Kolle­ge Faller erzählt, mal eben 14 neue Stü­cke geschrieben, mit seinem Quartett einstudiert, auf Band eingespielt und für die Veröffentlichung auf CD vorbereitet. Ein Kreativschub sonders gleichen und eine wahrlich reife Leistung wenn man bedenkt, dass selbst einer wie er ja zwi­schendurch auch essen oder schlafen muss. Dass die Neukreationen die Setlist für diesen Abend in Neuburg bestimmen würden, war klar, dass es sich dabei aus­nahmslos um Hochkaräter handeln wür­de, vorab nicht unbedingt.

„Arrival“, „Understatement“ und „It Will Happen“, das für den langjährigen Pianisten der Pat Metheny Group ge­schriebene „Lyle Mays“, der Jazz-Wal­zer „K.I.“ und „Happy in SAD“, was nichts mit einem Widerspruch in sich zu tun hat, dafür um so mehr mit Schwan­dorf in der Oberpfalz, wo die Studioses­sions stattfanden. Die „Ballade No.2“ mit ihrer wunderschönen Melodie, die aus einer Traumwelt herüber zu tönen scheint, ist so neu, dass sie noch nicht mal einen richti­gen Titel hat, und das mit einem echten Monsterthema ausgestatte­te und ein we­nig an Wayne Shorter erin­nernde Stück kurz vor der Pause heißt – zumin­dest so lange, bis seinem Schöpfer etwas besseres ein­fällt – schlicht „Neuer Swing“. Am Flügel ist Ignatzek ist ein Alleskönner. Dass er mal bei Richie Bei­rach und Herbie Hancock studiert hat, hat sich in seinem Spiel niedergeschla­gen. Dennoch hat er auch ein typisches Markenzeichen, diese rasend schnellen Tonketten nämlich, die er über seine rechte Hand immer wieder in seine Soli einbaut. Trübsbach mit seinem direkten, straighten und kraftvollen Ton ist der ideale Partner bei den nicht selten dem Soul-Jazz nahestehenden Komposition­en, die durch die enge Linienführung der Solisten auf der Basis stets nachvollzieh­barer Harmonien niemals an Drive ver­lieren. Ja, es ist durchaus eine Menge Zug drin in dem, was die strin­gente Backline als Basis vorgibt, und dem, was die Her­ren am Klavier und am Saxofon­ darauf aufbauen.

In den frühen Neunzigern war Ignatzek öfter mal zu Gast im Birdland, auch im Rahmen seiner Tätigkeit als Dozent der Neuburger Sommerakademie, dann wur­den die Abstände immer größer. Und so ist sein Gastspiel in Neuburg auch so et­was wie eine Rückkehr an eine alte Wir­kungsstätte und ein Wiedersehen mit gu­ten Bekannten. Nie verschollen, nie ver­gessen, aber eben lange Zeit nicht wirk­lich vor Ort. Kein Wunder bei je­mand, dessen Terminkalender rappelvoll ist, weil er gerade mal wieder „einen Lauf hat“.