Es gibt Musiker, die sind immer präsent, werden aber dennoch gerne übersehen. Klaus Ignatzek, Pianist, Komponist und Dozent, hat 65 Aufnahmen unter eigenem Namen mit nahezu 300 Stücken veröffentlicht, ist auf Alben von Dave Liebman, Joe Henderson und Roman Schwaller zu hören, stand aber im Rampenlicht nie ganz vorne. Obwohl er dort eigentlich hingehörte, ist er doch einer der besten Jazzpianisten hierzulande.
Nun ist der mittlerweile 70-jährige nach längerer Pause wieder mal im Birdland Jazzclub in Neuburg zu Gast, hat mit Florian Trübsbach am Tenor- und Sopransaxofon, Sven Faller am Kontrabass und Christian Schoenefeldt am Schlagzeug eine mit absoluten Könnern besetzte Band mitgebracht und ist – was sich auch beim Konzert niederschlägt – ein Paradebeispiel für einen Künstler, der gerade „einen Lauf hat“. Innerhalb der letzten zwei Wochen habe er, wie Kollege Faller erzählt, mal eben 14 neue Stücke geschrieben, mit seinem Quartett einstudiert, auf Band eingespielt und für die Veröffentlichung auf CD vorbereitet. Ein Kreativschub sonders gleichen und eine wahrlich reife Leistung wenn man bedenkt, dass selbst einer wie er ja zwischendurch auch essen oder schlafen muss. Dass die Neukreationen die Setlist für diesen Abend in Neuburg bestimmen würden, war klar, dass es sich dabei ausnahmslos um Hochkaräter handeln würde, vorab nicht unbedingt.
„Arrival“, „Understatement“ und „It Will Happen“, das für den langjährigen Pianisten der Pat Metheny Group geschriebene „Lyle Mays“, der Jazz-Walzer „K.I.“ und „Happy in SAD“, was nichts mit einem Widerspruch in sich zu tun hat, dafür um so mehr mit Schwandorf in der Oberpfalz, wo die Studiosessions stattfanden. Die „Ballade No.2“ mit ihrer wunderschönen Melodie, die aus einer Traumwelt herüber zu tönen scheint, ist so neu, dass sie noch nicht mal einen richtigen Titel hat, und das mit einem echten Monsterthema ausgestattete und ein wenig an Wayne Shorter erinnernde Stück kurz vor der Pause heißt – zumindest so lange, bis seinem Schöpfer etwas besseres einfällt – schlicht „Neuer Swing“. Am Flügel ist Ignatzek ist ein Alleskönner. Dass er mal bei Richie Beirach und Herbie Hancock studiert hat, hat sich in seinem Spiel niedergeschlagen. Dennoch hat er auch ein typisches Markenzeichen, diese rasend schnellen Tonketten nämlich, die er über seine rechte Hand immer wieder in seine Soli einbaut. Trübsbach mit seinem direkten, straighten und kraftvollen Ton ist der ideale Partner bei den nicht selten dem Soul-Jazz nahestehenden Kompositionen, die durch die enge Linienführung der Solisten auf der Basis stets nachvollziehbarer Harmonien niemals an Drive verlieren. Ja, es ist durchaus eine Menge Zug drin in dem, was die stringente Backline als Basis vorgibt, und dem, was die Herren am Klavier und am Saxofon darauf aufbauen.
In den frühen Neunzigern war Ignatzek öfter mal zu Gast im Birdland, auch im Rahmen seiner Tätigkeit als Dozent der Neuburger Sommerakademie, dann wurden die Abstände immer größer. Und so ist sein Gastspiel in Neuburg auch so etwas wie eine Rückkehr an eine alte Wirkungsstätte und ein Wiedersehen mit guten Bekannten. Nie verschollen, nie vergessen, aber eben lange Zeit nicht wirklich vor Ort. Kein Wunder bei jemand, dessen Terminkalender rappelvoll ist, weil er gerade mal wieder „einen Lauf hat“.