Es ist eine Ehre, in den heiligen Hallen des international renommierten Birdland Jazzclubs als regionale Gruppe auftreten zu dürfen. Mit dieser Bemerkung lag Bandleader Alexander Großnick von Cassablanka ziemlich richtig. Noch mehr als eine Ehre ist es eine Herausforderung. Die Akteure werden zwar nicht mit sonst gastierenden Stars aus New York, London oder Paris verglichen – etwas Besonderes bieten sollten sie aber schon.
Die achtköpfige Band Cassablanka und die beeindruckende Sängerin Sylvia von der Grün haben diese Aufgabe insgesamt mit Bravour gemeistert. Es war nicht der erste Auftritt der Formation im Birdland Neuburg, aber vielleicht der reifste. Der Sound von Cassablanka mit den fünf Bläsern und der Rhythmusgruppe aus Bass, Schlagzeug und Piano kommt profiliert und mit Charme über die Rampe. Im ersten Set brauchen die hoch engagierten Amateur-Musiker etwas Zeit, um sich frei zu spielen. Aber die in die Nervosität ist bald verschwunden.
Die Klangfarben des Bläser-Quintetts aus Christian Rehm (Posaune), Gerhard Hörmann (Trompete), Alexander Großnick (Saxofon/Klarinette), Nils Niermann (Saxofon/Klarinette) und Peter von der Grün am Altsaxofon entfalten sich schnell in feiner Ausgewogenheit. Das gilt für’s Zusammenspiel in den Dixie- und Ragtime-Nummern genauso wie für die Solopartien in den Sinatra-Songs oder Nummern wie „Georgia on my mind“. Möchte man aus den Solo-Einlagen etwas ein wenig hervorheben, dann die interpretatorisch überzeugenden Beiträge von Gerhard Hörmann an der Trompete und von Peter von der Grün am Altsaxofon.
Das soll die anderen drei Bläser nicht hintansetzen – alle zusammen bieten eine Musik, die der eigentlichen Bedeutung von „Amateur“ gerecht wird. Da sind Leute am Werk, die wirklich lieben, was sie tun – und die wissen, dass über diese einfache Grundmotivation hinaus viel Arbeit, Disziplin und am Ende auch eine Portion Mut nötig sind, um ein solches Niveau zu erreichen.
Nicht wenig trägt dazu die Rhythmusgruppe mit Brigitte Pettmesser (Piano), Renate Hörmann (Bass) und dem Schlagzeuger Florian Herrle bei. Sie sind zwar hinter der Bläserreihe kaum zu sehen, aber dafür umso angenehmer zu hören. Dieses Trio schenkt den Mitstreitern an Posaune, Trompete, diversen Saxofonen und Klarinetten ein bombensicheres Fundament für deren anspruchsvolle musikalische Aufbauten.
Zum Beispiel in der Nummer „Perdido“ (was so viel wie verloren bedeutet). Da sind die Saxofone von der Bariton- bis zur Tenorlage richtig gefordert, technisch und musikalisch. Wie Alexander Großnick, Nils Niermann und Peter von der Grün diese Klippen meistern, verdient Respekt. Aufgeschmissen war da keiner, die Risikofreude wurde belohnt.
Die stärksten Eindrücke dieses Konzertes steuerte freilich das schönste „Instrument“ bei, das es wohl gibt: die menschliche Stimme. Sylvia von der Grün hat als Sängerin mit Cassablanka schon öfter überzeugt, aber diesmal war sie in vielen Passagen hinreißend. Ihre Altstimme hat Charakter, Volumen, elegante Kraft und ein Espressivo, das unmittelbar berührt. Der Song „How high the moon“, so etwas wie die Erkennungsmelodie der großen Ella Fitzgerald, der Jazz-Klassiker „Just friends“ oder die bejubelte Zugabe „Santa Claus is coming to town“ wurden so zum Erlebnis. Charmanter Sound einer kleinen Bigband und eine famose Sängerin als Glanzlicht darüber. Mehr kann man kaum erwarten.