Ein deutliches Ausrufezeichen eines stil- und traditionsbewussten, zugleich zukunftsorientierten Jazz setzte Terence Blanchard im Neuburger Birdland Jazzclub. Der New Orleanser Trompeter erwies seinem Ruf als eines der besten Trompeter des zeitgenössischen Jazz alle Ehre.
Trefflich mag man streiten, was die eigentliche Essenz der Jazz ausmache angesichts eines heute weit verästelten und in viele Spielarten und Randbereiche hinaus erweiterten Jazzbegriffs. Unstrittig ist die Herkunft des Jazz aus New Orleans. Unstrittig ist auch, dass die dort beheimatete Szene erstens von höchster Qualität und zweitens in besonderer Weise mit der Tradition verbunden ist, einen heißen Draht zur lebendigen Geschichte hat. So weit, so gut, so Marsalis! Im Gefolge von Gralshüter Wynton hat Terence Blanchard seine Lehrjahre verbracht. Heute – 25 Jahre und drei Grammys weiter – hat er sich zu einem höchst eigenständigen Botschafter moderner improvisierter Musik entwickelt. Einerseits bedient er sich nach wie vor klassischer Formen des Jazz, beherrscht das entsprechende Vokabular aus dem Effeff. Schließlich fungiert er zurzeit als künstlerischer Leiter des höchst renommierten Thelonious Monk Institute of Jazz der University of Southern California. Was er jedoch andererseits im virtuos besetzten Quintett daraus macht, hebt seine Musik weit hinaus über jeden restaurativen Neotraditionalismus, rückt im Gegenteil alle Elemente, die die Geschichte zu bieten hat, auf eine neue Ebene.
Da purzeln durch Brice Winstons Saxophon ekstatische coltraneske Kaskaden von hochenergetischem Offensivgeist, zelebriert Fabian Almazan am Bösendorfer rhapsodische Ausflüge mal in den Impressionismus, mal in die Ecken und Kanten des Bebop. Da legt Kendrick Scott am Schlagzeug pulsierende polyrhythmische Fährten in die Tiefen des Raum-Zeit-Kontinuums, setzt Michael Olatuja am Bass mit sattem Ton markante Leitpfosten für den Weg zurück in die Zukunft. Terence Blanchard gibt der Trompete alles, was nur denkbar ist, das unfehlbare Timing Louis Armstrongs, den melancholisch coolen Blues Miles Davis, den offensiven Highspeed-Biss Freddie Hubbards und – seine eigene souveräne Persönlichkeit. Die hat ihre „Choices“ getroffen, Reife erlangt und jetzt schon ein eigenes Kapitel in der Chronik des Jazz aufgeschlagen, die Tradition bereichert und erweitert um eine unverkennbare Stimme. Dem Birdland bereitete er einen grandiosen, denkwürdigen Jazzabend.