Die Musik des heutigen Abends mit Sylvie Courvoisier und Patricia Brennan, sagt Ulrich Habersetzer, der den Mitschnitt des Konzerts im Rahmen des 14. Birdland Radio Jazz Festivals von Seiten des Bayerischen Rundfunks redaktionell betreut, funktioniere ähnlich einem Reißverschluss, bei dem zwei ursprünglich gegensätzliche Systeme perfekt ineinander greifen und so zu einem geschlossenen Ganzen werden. Was er damit meint, wird bereits bei den ersten Stücken des Abends deutlich.
Etwa bei „Deus Ex Machina“, bei dem der Klang wie eine Welle aus gleißendem Silber aus Brennan’s Xylofon herausfließt und mit dem vibrierenden Flirren, das Courvoisier dem Flügel entlockt, sich verzahnt zu einer vielschichtigen Komposition aus ineinandergreifenden Komponenten, die stets ihre Koordinaten verändern, sich aber zwischendurch immer wieder ohne Nahtstellen absolut passgenau übereinanderlegen. Das hat mit Mathematik zu tun wie so einiges in der Musik an sich, aber eben auch viel mit der Lust auf neue Klangfarben, rhythmische Verwerfungen und auf ein Konzept, das zwar nicht völlig neu, aber alles andere als alltäglich ist, die Kombination nämlich zwischen Klavier und Xylofon und damit zwischen zwei Klangerzeugern, die in der Regel ähnliche Aufgaben übernehmen. Beide sind Harmonieinstrumente, mit beiden spielt man Melodien, Akkorde, Bässe.
Niemand freilich tut dies auf die Weise Courvoisiers, der gebürtigen Schweizerin aus Lausanne, und Brennan aus dem mexikanischen Veracruz, die beide in New York leben, beide ungewöhnliche Spieltechniken bevorzugen, immer darauf bedacht sind, die Klangmöglichkeiten ihrer Instrumente auszuloten und zu erweitern, die experimentelle Seite der New Yorker Jazz-Szene verkörpern wie sonst nur wenige und darauf aus sind, Brücken zu bauen, die ihre Herkunft – Brennan war früher Perkussionistin in einem Orchester, Courvoisier hat ein Studium der Klassik und des Jazz hinter sich – verbinden mit all den Optionen, die sich ihnen aufgrund ihrer Neugier bieten.
Ihr gemeinsames Programm, das sie in Neuburg vorstellen, heißt „Talamanti“. Das Wort steht in einer der vielen indigenen Sprachen Mexikos für zwei Objekte, die sehr ähnlich oder auch sehr gegensätzlich sein können, eine Bezeichnung, die überaus passend erscheint für die beiden Instrumente und auch die beiden Musikerinnen und ihre Vorgehensweisen. Es gibt Sequenzen, in denen beide ihrer Wege gehen, autark, unabhängig, Sequenzen, in denen jede für sich Wege auslotet, neue Regionen erkundet, einen Blick hinein wagt in für sie – und für das Publikum – neue Universen. Und es gibt Momente, in denen, wie von Zauberhand geleitet, sich beider Wege finden, beide Hand in Hand gehen, inniger Konsens herrscht, die Improvisation zurückführt auf vertrautes Terrain.
Talamanti ist keine Musik für nebenbei. Man muss sich schon auf sie einlassen. Gerade das freilich macht den besonderen Reiz aus, sobald avantgardistische Aspekte mit ins Spiel kommen. So wie in diesem Fall. Und den besonderen Reiz auch des Birdland Radio Jazz Festivals, in dem neben all den vielen Varianten des Mainstream und des Modern Jazz auch ganz besondere Spielarten nicht nur möglich, sondern ausdrücklich erwünscht sind. Sendetermin zum Nachhören ist am 24. Januar 2025 um 23 Uhr auf BR Klassik.