Die letzte Station auf der sechswöchigen Welttournee des Jeremy Pelt Quintets ist der Birdland Jazzclub in Neuburg. „Die Konzerte in Cincinnati, Vancouver, L.A. und Paris waren nur Übungs-Gigs, um heute gut vorbereitet zu sein“, sagt Pelt mit breitem Grinsen, der sich sichtlich freut, endlich mal wieder hier in seinem „Wohnzimmer“ spielen zu dürfen. Des öfteren bereits war er in Neuburg zu Gast, immer mit unterschiedlichen Musikern, immer mit unterschiedlichen Programmen, anfangs als Geheimtipp an der Trompete, jetzt als Weltstar.
„Und ab die Post!“ Die Band legt los wie die Feuerwehr. Wohin nur mit all der angestauten Energie? Pelt und seine Band setzen sie sofort um in Drive und Power. „Underdog“ und „Afro Futurism“ hätten die Kraft, das Publikum förmlich akustisch an die Wand zu drücken. Zwei Stunden lang so weiter zu machen, wäre freilich dramaturgisch unklug und nicht im Sinne der Dynamik. Immer nur Vollgas, das ginge nicht, wäre auf Dauer sogar eintönig. Deswegen schaltet die Band mit „Lucille“ (O-Ton Pelt: „This is for my girl-friend.“) einen und dann bei „People“, das durch Barbra Streisand berühmt wurde, gleich mehrere Gänge zurück. Mit dem ungestümen „Volle Kraft voraus!“ zu Beginn zeigt sie nämlich nur ein Gesicht von mehreren, mit dieser hinreißenden Ballade ein ganz anderes, eines, das diametral gegenüber liegt, am anderen Ende der Skala sozusagen. Ein sparsames Trompetenintro eröffnet die Nummer, ein spröder Ton voller Verletzlichkeit führt den Hörer ein in eine ganz andere Szenerie und am Ende, nach gut zehn Minuten, steht eine strahlende, messerscharf intonierte Fanfare. Selten wird eine Geschichte, die mit Einsamkeit beginnt und mit Lebenslust endet, schöner erzählt. Mit der Bearbeitung von Marian McPartland’s „There’ll Be Other Times“ gelingt ihm nach der Pause noch einmal ein ähnlicher Wurf, ansonsten verläuft das Konzert „normal“, wobei in diesem Fall „normal“ freilich gleichbedeutend ist mit „überragend“, „hervorragend“ oder „exzellent“.
Das liegt an Pelt selbst, aber auch an seinen Begleitmusikern, allesamt junge Herren – Schlagzeuger Jared Spears ist gerade mal 20 – teilweise von ihm selbst unterrichtet und geformt. Spears, Gitarrist Misha Mendelenko, Leighton Harrell am Kontrabass und vor allem Jalen Baker am Vibrafon hinterlassen einen glänzenden Eindruck, bieten ihm – allen voran Baker – selbstbewusst Paroli und folgen ihrem Chef auf Schritt und Tritt auf seinem Weg zum Legendenstatus, der ihn immer wieder ins Birdland führte – was auch künftig hoffentlich regelmäßig der Fall sein wird. Nach Erscheinen des nächsten Albums vielleicht, dessen Titel noch nicht fest steht, das aber auf jeden Fall im Frühjahr 2025 veröffentlicht werden soll und worauf man sich angesichts des beim Konzert zu hörenden Vorboten „Thirteen Fourteen“ zu recht freuen darf.
Wer sich die Band nachträglich – als Zugabe quasi – ins heimische Wohnzimmer holen möchte, hat zweimal Gelegenheit dazu. Ausschnitte aus dem Konzert sind im Rahmen der „Live-Night“ des Birdland Radio Jazz Festivals am kommenden Samstag, 23. November, ab 22.30 Uhr über BR-Klassik und anschließend von 0.00 Uhr bis 2.00 Uhr Uhr über Bayern 2 zu hören. Zusätzlich sei auf den einstündigen Konzertmitschnitt verwiesen, der am 21. Februar 2025 ab 23 Uhr über BR-Klassik ausgestrahlt wird.