T.S. Monk`s Monk On Monk | 20.05.1999

Donaukurier | Reinhard Köchl
 

Der Kerl muß schon ein ganz Harter sein. Oder aber ein Trittbrettfahrer, der sich einfach nur an diesem Wahnsinnsnamen emporziehen will. Hochgesteckte Erwartungen lassen sich sowieso kaum vermeiden, wenn ein Sohn irgendwann mal in die Fußstapfen des berühmten Vaters tritt. Vorschnelle Vergleiche aber durchaus. Bei den Monks wählte der Junior zunächst ein anderes Instrument (Schlagzeug), konvertierte in gefahrlosere Gefilde (Pop, Funk) und entschwand so für eine Zeitlang völlig aus dem Blickfeld der gierigen Öffentlichkeit.

Heute steht Thelonious Sphere Monk junior wieder mitten im Jazz, nennt sich zum Zwecke der Abgrenzung kurz und knapp T. S. und läßt endlich seinen Genen freien Lauf. Der 49jährige ist ein guter Drummer. Doch richtig Aufmerksamkeit genießt er erst, seit er sich mit aller Verve der Musik von Thelonious Monk, dem unerreichten Pianogenie, widmet. „Monk On Monk“ lautet sinnigerweise das waghalsige Bandprojekt, welches der Sprößling in ständig wechselnden Allstar-Besetzungen unterhält und mit dem er nun auch im Neuburger „Birdland“ gastierte.

Und Monk bleibt tatsächlich immer Monk, obschon das angekündigte Tentett inklusive der Sängerin Nnenna Freelon im Hofapothekenkeller auf ein rein instrumentales Septett zusammengeschrumpft war. Ein gefilterter Monk, spannend und zeitgemäß auffrisiert mit einer famosen Bläser-Frontline, aber ein würdevoller, autentischer, der niemals an der Einmaligkeit des Originals rüttelt.

T. S. Monk – soviel steht nach dem Neuburg-Konzert fest – erfüllt die Aufgabe des Nachlaßverwalters mit kluger Souveränität. Denn das eigentliche Erlebnis dieses Abends war es, die einmalige Schönheit der Kompositionen des sonderbaren Kauzes am Klavier mittels seiner feinsinnigen Arrangements wiederentdecken zu können. „Little Rootie Tootie“, „Crepuscule With Nellie“, „Ugly Beauty“, „Jackie-ing“, „Green Cimneys“, „Dear Ruby“: Monks schräge Verschachteltungen, seine bizarren Kombinationen, die merkwürdige Rhythmik erblühen hier in einem völlig neuen Zauber.

Dabei kommt es nicht einmal so sehr darauf an, daß ein Klon des großen Vorbildes am Piano sitzt. Der junge Tastenvirtuose Ray Gallon steuert genügend eigene Akzente bei und wirkt gerade deshalb allemal „monkischer“, als manch billige Blaupause. Wuselig, fast dadaistisch oder scharf wie eine Rasierklinge wirken die Hörner im Tutti. Jedes einzelne ist für eine andere Farbe auf der gewaltigen Leinwand zuständig. Willie Williams (Tenorsax) etwa, ein Hotblower reinsten Wassers, bringt glühendes Lavarot ein, Bobby Porcelli (Altsax) sorgt mit flinken Intervallsprüngen für lebhaftes Gelb, Don Sickler (Trompete) liefert mit geschmackvoller Phrasierung ein strahlendes Blau, während Howard Johnson an der Tuba (!) sowie am Baritonsax mit unerhört geschmeidigen, fließend-brummenden Linien einen Tupfer braun beisteuert.

Monk selbst hat von Monk eine elementare Lektion des Jazz gelernt: Pausen sind oft wichtiger, als das Gespielte selbst. Der muskelbepackte Modellathlet am Drumset könnte problemlos knüppeln, was das Zeug hält. Stattdessen aber nimmt sich T. S. zurück, schiebt wenn nötig an, holt das Beste aus seinen Vorderleuten heraus. Er läßt seine Band swingen. Ohne sich selbst zu inszenieren, setzt der Sohn damit dem Vater ein klingendes, bejubeltes Denkmal.

Reinhard Köchl