Swinging Ladies | 24.10.1997

Donaukurier | Reinhard Köchl
 

Welche Chance haben die Veranstalter (-innen) der momentan laufenden Ingolstädter Künstlerinnentage hier verpaßt! Kaum ein Act wäre wohl im ursprünglichen Sinne des Mottos geeigneter gewesen, als die „Swinging Ladies“, um jedermann vor Augen zu führen, daß der Oktober tatsächlich eine Frau ist.

Doch das mitnichten aus Gründen der besseren Vermarktung eines besonderen geschlechtsspezifischen Merkmals heraus entstandene Quintett trat stattdessen im „Birdland“-Jazzclub des benachbarten Neuburg auf und verbaute der Schanz damit zweifellos eine kleine Attraktion. Denn schließlich gilt es nach wie vor, den weiblichen Anteil im Haifischbecken der notorischen Machos, als das sich die internationale Szene nun mal seit Jahrzehnten erweist, mit der Lupe zu suchen. Wer den Mut besitzt, das klassische Rollenkorsett des Jazz abzustreifen, das für die Frau allenfalls den Part der betörend-lasziven Sängerin reserviert, und zum Instrument greift, der muß sein Handwerk in der Tat perfekt beherrschen.

Was Carla Bley einst unter dem Eindruck eigener leidvoller Erfahrungen sagte, besitzt unverändert Gültigkeit: eine Frau müsse mindestens doppelt so gut sein, wie ein Mann, um überhaupt Gehör zu finden. Die „Swinging Ladies“ sind fraglos gut, verfügen über großen Spielwitz, Virtuosität und vor allem einen langen Atem. Wenn auch der Gruppenname leicht kontraproduktiv für die hehren emanzipatorischen Bestrebungen anmutet, so weckt er doch immerhin Neugierde. Das „Birdland“ reagierte wunschgemäß und präsentierte sich trotz der relativen Unbekanntheit der fünf Musikerinnen erstaunlich gut gefüllt.

Den rund zweistündigen Straight-ahead-Gig des amerikanisch-deutschen Ensembles mit Attributen wie „viril“ oder „weiblicher Touch“ zu unterfüttern, liefe dem Ziel der Ladies völlig zuwider, einfach nur spritzigen, lebendigen Jazz fernab jedweden Klischees abliefern zu wollen. Der liegt ihnen ohne Zweifel im Blut, oder im Falle von Trompeterin Stacy Rowles gar in den Genen. Die Tochter des berühmten Swing-Pianisten Jimmy Rowles feuerte mit Verve jede Menge prächtiger, attackierender Soli in den Jazzclub, jonglierte pausenlos high- und dirtynotes, groovte sich am Plunger durch Bluesnummern wie „The Love Dirge“ und outete sich obendrein noch als feinsinnige Balladensängerin.

Variabel und emotional auch Rowles Partnerin, die boppige Altsaxophonistin Sharon T. Hirata, die sich vor allem nach der Pause zu ungeahnter Galaform aufschwang. Janice Friedman am Piano entpuppte sich als ein Muster für kluge, berechnende Struktur, das um funkige Überraschungen nie verlegen schien, während sich Lindy Huppertsberg mit ihrem erstaunlich reifen, volltönenden Baßspiel mittlerweile wirklich hinter keinem ihrer etablierten Kollegen mehr verstecken muß.

Nur wären die geschwungenen Walkinglinien der deutschen „Lady Bass“ mit einer etwas muntereren Drummerin als Jill Fredericksen unter Garantie noch wesentlich satter zur Geltung gekommen. Einzig an der Besetzung der „Schießbude“, und nicht etwa, wie im „Birdland“ mancherorts vermutet, an der Bürde, als reines Frauenkollektiv aufzutreten, lag es, daß die frische Band ihren kleinen Rest von Nervosität erst nach der Pause völlig abschütteln konnte.