Swingin‘ Ladies + 2 | 02.04.2022

Donaukurier | Karl Leitner
 

Bereits nach den ersten beiden Stücken des Abends ist es offen­sichtlich. Die vier Personen auf der Büh­ne wollen ihr Publikum auf lockere, un­akademische und unprätentiöse Weise unterhalten und die Leute im ausverkauf­ten Birdland-Keller wollen, dass genau das passieren möge. Die Sache ist ei­gentlich also ganz einfach. Und das Vor­haben klappt. Am Ende fordert das Audi­torium lauthals drei Zugaben – was selbst im Birdland nicht allzu häufig vor­kommt – und die Künstler verschließen sich diesem Wunsch selbstverständlich nicht.

Gut zwei Stunden Kurzweil unter der Fahne des Swing sind also angesagt, wo­bei freilich beileibe nicht jedes Stück des Abends tatsächlich Swing ist, nach der Bearbeitung des Quartetts aber zu Swing wird. Die in St.Louis, Missouri, gebore­ne Pianistin Stephanie Trick, ihr Kollege am Flügel Paolo Alderighi aus Mailand, die australische Kontrabassistin Nicki Parrott und der Kölner Engelbert Wrobel (Tenor- und Sopransaxofon, Klarinette) nehmen Duke Ellington’s Statement „It Don’t Mean A Thing If It Ain’t Got That Swing“ also ziemlich wörtlich, liefern swingende Versionen von Richard Ro­gers bis zu den Beatles, von Theo Ma­ckeben bis zu Herp Alpert’s Tijuana Brass und verströmen dabei jede Menge gute Laune.

Was aber tut man, wenn man zwei so exzellente Pianisten in der Band hat wie in diesem Fall? Ganz einfach: Man lässt sie vierhändig spielen. Was natürlich, weil das nicht alltäglich ist, bestens an­kommt, noch dazu, wenn sie sich stilis­tisch so gut ergänzen. Beide kommen von der Klassik und haben sich bei Fats Waller und Erroll Garner getroffen, wo­bei Alderighi eher der Allrounder ist und Trick eine ausgewiesene Ragtime-, Boo­gie und Stride-Spezialistin. Die Duette der beiden, in denen durchaus auch mal die Sitzpositionen getauscht werden, ohne dass der Groove darunter litte, sind denn auch die Glanzpunkte des Konzerts im Birdland. Sicherlich, es gibt auch ein paar Stücke, die ein klein wenig abfal­len, Frank Sinatra’s „Five Minutes More“ etwa, wofür Johnny Mercer’s „Jeepers Creepers“, Fats Waller’s „Marti­nique“ und Fat’s Domino’s „Blueberry Hill“ aber wieder Entschädigung bieten.

Nicki Parrot gibt als Bassistin wie als Sängerin eine überzeugende Figur ab, Engelbert Wrobel ist ein sympa­thisch-witziger Moderator und bei Ben Webs­ter’s „That’s All“ ganz in seinem Ele­ment. Im Laufe des Abends mag man­cher im Saal zu der Erkenntnis gelangt sein, dass ihm zwar Namen wie Eubie Blake oder Ernesto Nazareth nicht sofort geläufig sind, die Melodien ihrer Stücke aber durchaus, dass er die Soli des Jazz, die er doch bisher oftmals als recht an­strengend empfand, plötzlich durchaus schätzt, weil sie so passgenau in diese swingenden Stücke eingefügt sind. So kann Werbung für den Jazz also auch aussehen.

Ganz am Ende gibt’s dann noch eine Lehrstunde in Sachen Boogie Woogie, eine vierhändige Tour de Force am Flü­gel in Richtung Big Joe Turner und Pete Johnson, die nicht nur swingt, sondern auch rockt und rollt wie die Hölle, son­dern einmal mehr auch belegt, wie eng doch alles beieinander liegt. Der Rag­time, der Blues, der Swing, der frühe Jazz. Und woher später Chuck Berry und Little Richard ihre Ideen hatten, weiß man jetzt auch.