Gar nicht so leicht, ein ganzer Abend solo auf der Bühne, allein mit 88 Tasten und der Erwartung des Publikums. Um es gleich vorweg zu nehmen: Sullivan Fortner löste die anspruchsvolle Aufgabe beim 248. Konzert der Reihe »Art of Piano« im Neuburger Birdland mit Bravour. Das dritte in einer kleinen Folge von Piano-Solokonzerten der letzten Monate – nach Kenny Barron und Benny Green – zeigte einen glut- und blutvollen 37jährigen, dem die Freude am Spiel und am Gelingen in jeder Sekunde anzumerken war, titelte doch schon der Opener: »It‘s A Game«.
»Wie lang soll ich spielen, wie sind hier die üblichen Sets? – Ah, 45 Minuten? Okay!« Flugs den Timer gestellt und los geht‘s. Die ersten Töne auf der rechten Hälfte der Tastatur wie ein feines Schneegestöber – draußen hatte Petrus kurz vorher ein überaus schneereiches Wochenende eingeläutet –, dann eine leichte linke Hand mit tänzelndem Rhythmus, mehr und mehr groovt sich‘s ein in monkesker Sperrigkeit und eigenwilligem Fluss. Dann wieder gedämpftes Stakkato und darüber springende Harmonien, die sich unmerklich bewegen wie ein Stück minimal music, aufgelöst mehr und mehr in quicklebendige Arpeggien, koboldartig springende Kaskaden, hymnische Klänge und einen federleichten Farbtupfer als Schlussakkord.
Sullivan spielt durchaus traditionsbewusst mit allen Stilelementen der Jazzgeschichte, Gospel, Blues, Bebop und Moderne, lotet sie aus und musiziert in seinem eigenen Personalstil mit starkem Groove und scheinbar völlig unangestrengter, zugleich überaus ernsthafter Konzentration. Jelly Roll Mortons 100jähriges »Grandpa’s Spells« ist ebenso im Repertoire wie Cole Porters »Love For Sale« und neuere Standards, »And I Love Her« von Lennon/McCartney – das ist auch schon immerhin fast 60 Jahre her –, oder Kenny Wheelers »Everybody’s Song But My Own«. Ungemein berührend Fortners Version von Gershwins »Someone to Watch Over Me«, die samtweich, doch ohne jegliche Sentimentalität dem Song vertraut, nicht weniger als die Hommage an die »schönste Zeit des Jahres«: »Have Yourself A Merry Little Christmas«.
Selten dürfte ein Pianist dem Flügel im Neuburger Birdland mit solcher Frische, Flexibilität, Fantasie und Farbenfreude begegnet sein wie Sullivan Fortner. Der clubeigene Bösendorfer freut sich und dankt mit leuchtendem Klang und brillanten Farben. Mögen sich noch mehr Pianisten finden, die sich dem Abenteuer an den 88 Tasten so souverän stellen wie Kenny Barron, Benny Green und hoffentlich nicht zum letzten Mal Sullivan Fortner.