Wenn man sich immer wieder mit Altbekanntem beschäftigt, besteht durchaus die Möglichkeit, dass selbst absolute Leckerbissen irgendwann mal schal werden. Deswegen ist das mit alten Swingnummern und Jazzschlagern aus den Zeiten von Peggy Lee und Doris Day ja auch so eine Sache. Man hat sie tausendmal gehört und manch einer hat sich daran vielleicht auch überhört. Immer noch von einem gewissen Reiz, aber nicht doch irgendwie aus der Zeit gefallen?
Kann alles sein, muss aber nicht. Ganz bestimmt trifft das nicht zu, wenn sich das Quartett des Klarinettisten, Tenor- und Sopransaxofonisten Engelbert Wrobel des musikalischen Erbes Benny Goodman’s und Ella Fitzgerald’s annimmt, neben Gassenhauern wie Ray Charles‘ „Hallelujah“ und „Tea For Two“ auch relativ unbekanntes Material im Programm hat und das Ganze nach dem Motto „Alter Wein in neuen Schläuchen“ im ausverkauften Birdland Jazzclub einem begeisterten Publikum serviert.
Das funktioniert nicht von selbst. Zum einen braucht es dazu eine Band, die wie am Schnürchen läuft, innerhalb derer sich alle blind verstehen und zudem hervorragende Solisten sind. Deswegen sind Rolf Marx an der Gitarre und Thilo Wagner am Flügel Teil der Combo und dafür genau die Richtigen. Zweite Voraussetzung: Das Angebot muss auch gut präsentiert werden. Wrobel führt mit lockeren Sprüchen souverän durch den Abend und hat mit der australischen Kontrabassistin Nicki Parrott auch noch eine Partnerin neben sich auf der Bühne, deren Charme, deren positive Ausstrahlung und deren Können für genau die richtige Wohlfühl-Atmosphäre sorgt. Wrobel ist als Bandchef klug genug, auch ihr immer wieder die Führung zu übertragen und weiß anscheinend ganz genau, welches Ass er mit ihr jederzeit aus dem Ärmel zaubern kann.
Und die Lady kann auch noch singen. Alle Achtung. Durch sie werden selbst altgediente Stücke wie „Fever“ oder „The Man I Love“ quasi neu erfunden. Geschickt lotet sie die Stimmung jedes Songs aus und übersetzt sie in die für diesen speziellen Abend notwendige Sprache. Wobei das Repertoire aber auch passgenau auf sie zugeschnitten ist, so dass all diese Songs ohne Verfallsdatum durch ihre Interpretation auf jeden Fall gewinnen. Es ist nicht leicht, diesen Kompositionen, die zum Großteil eine Art Weltkulturerbe des Swing darstellen, im Jazzkanon fest verwurzelte Evergreens sind, Generationen von Hörern glücklich gemacht haben und seither in unzähligen Varianten greifbar sind, auch noch nach mehr als einem halben Jahrhundert eine eigene Note zu verleihen. Diese Band mit dieser Sängerin kriegt das hin, und das ist absolut erstaunlich.
Konzerte wie das von Engelbert Wrobel’s Swing Quartet widerlegen eindeutig das Vorurteil, Jazz sei von vorne herein elitär und schwer konsumierbar. Genau das Gegenteil ist hier der Fall. Songs wie diese, gespielt von Bands wie dieser, machen Spaß und gute Laune, auch und gerade im grauen November. Und wenn das Quartett wieder mal im Birdland zu Gast sein sollte – wovon man getrost ausgehen darf – wird die Bude wieder rappelvoll sein und auch ein noch so spektakuläres TV-Angebot keine echte Konkurrenz darstellen. Top, die Wette gilt!