Straight Ahead Quartett | 30.10.2021

Donaukurier | Karl Leitner
 

Wenn man es richtig be­denkt, ist es mehr als erstaunlich. Alle haben sie hier gespielt, wirklich alle, auch die Superstars des Jazz. Fotos von Dave Brubeck, Cecil Taylor und Freddie Hubbard hängen an den Wänden, vor kurzem war auf Betreiben des Birdland Jazzclubs Ron Carter zu Gast in Neuburg und nächste Woche kommt mit John Scofield ereneut einer der wichtigsten Jazzmusiker überhaupt.

Und dazwischen, an einem ganz „nor­malen“ Samstagabend, gibt mit dem Neuburger Pianisten Oliver Wasilesku, dem Ingolstädter Schlagzeuger Tom Die­wock und den beiden Eichstättern Christof Zoelch (Tenorsaxofon) und Ul­rich Schiekofer (Kontrabass) das „Straight Ahead Quartett“ seine musika­lische Visitenkarte ab. Und muss sich da­bei überhaupt nicht verstecken vor all den großen Namen, nein, vielmehr neh­men die Vier die heiligen Hallen des Jazz im Handstreich. Wasilesku mag der Initiator des Projekts sein, der Star des Abends aber ist die komplette Band, die da so herrlich unangestrengt und leicht­füßig die beiden Sets gestaltet, die die Stücke, von denen einige ja doch ein paar Jährchen auf dem Buckel haben, in entstaubten Versionen fließend, pulsie­rend, swingend und groovend zu ihren eigenen macht. Das Quartett hat für Can­nonball Adderly’s „Work Song“, Chet Baker’s „You And The Night And The Music“ oder Oscar Pettiford’s Blues-Meisterwerk „The Plain But The Simple Truth“ und all die anderen eigenständige Sichtweisen entwickelt und interpretiert sie mit einer Selbstverständlichkeit, als täten die Musiker seit Jahren genau dies und nichts anderes.

Die Soli sind gleichberechtigt verteilt und jeder nutzt seine Freiräume optimal. Schiekofer legt Wert auf einen wunder­baren Basssound und hat vor allem in Billy Taylor’s „“One For The Woofer“ – dem Highlight des zweiten Sets – ganz große Momente, Tom Diewock legt für jede Nummer ein speziell gewobenes, relaxt federndes und ungemein dichtes Netz aus, Zoelch macht durch sein emo­tionales und ausdrucksstarkes Spiel vor allem die Balladen zu kleinen Meister­werken und ist als Komponist verant­wortlich für Pretiosen wie „Three And A Half Times And Gone“ und „“Hyperha­bilitation“. Wasilesku besticht zum einen durch enorme Fingerfertigkeit, zum an­deren durch seine Kreativität, wenn es um Verzierungen und Ausschmückungen jenseits des Üblichen geht.

Das Aufeinandertreffen diverser Stars ergibt nicht automatisch eine Weltklasse­band. Das ist eine alte Regel. Umgekehrt aber gilt auch: Vier Musiker, die „nur“ der regionalen Szene zuzurechnen sind, können als Band wirklich großartig sein, ja, über sich hinauswachsen, wenn die äußeren Bedingungen und die Chemie stimmen. Das Straight Ahead Quartett scheint bei seinem Auftritt im Birdland ei­nen dieser Momente erwischt zu ha­ben, in denen einfach alles passt. Das spürt anscheinend auch das Publikum, das – Heimspiel hin oder her – denn auch ent­sprechend reagiert. Schickte man das Quar­tett in dieser Form auf eine Tournee durch Deutschland – das Ge­dankenspiel sei an dieser Stelle mal er­laubt – hätte man mit ihr sicherlich den idealen Bot­schafter in Sachen Jazz aus der Region gefunden.