Straight Ahead Quartet | 03.06.2022

Donaukurier | Karl Leitner
 

Einer gängigen Rede­wendung nach gelten Propheten im eige­nen Land nichts. Das mag oftmals der Wahrheit entsprechen, stimmt jedoch im Falle des Straight Ahead Quartets abso­lut nicht. Als der Bandleader und Pianist Oliver Wasilesku aus Neuburg, der Schlagzeuger Tom Diewock aus Ingol­stadt und die beiden Eichstätter, der Kontrabassist Ulrich Schiekofer und der Altsaxofonist Christof Zoelch, nämlich zum Heimspiel antreten, ist das Birdland bis auf den letzten Platz gefüllt.

Dass zwischen den vier Akteuren auf der Bühne und den mit Fotos an den Wänden des Clubs verewigten Stars des Jazz Welten liegen, versteht sich von selbst. Zwei Dinge jedoch haben sie ge­meinsam. Sie alle sind vom Jazz-Bazil­lus befallen und sie alle nutzen die Frei­heiten, die das Genre ihnen bietet, um auszuprobieren, wozu sie gerade Lust haben. Keine Musikform wäre dafür bes­ser geeignet. Im Falle des Straight Ahead Quartets passiert in dieser Hinsicht vor allem im Bereich der Arrangements er­staunlich viel. Thelonious Monk’s „Well You Needn’t“ erhält Funk-Einsprengsel, Duke Ellington’s „Take The A-Train“ kommt im 5/4-Takt daher, ohne dass der darin thematisierte Zug ins Ruckeln käme, und ein Schubert-Lied wird zur Jazznummer, indem die vorgegebene Melodie mit einem wiederkehrenden Ba­sismotiv unterlegt wird und dadurch ge­hörig an Fahrt aufnimmt.

Der Band geht es sicherlich nicht dar­um, das Rad neu zu erfinden, aber durch­aus darum, sich bei ihren Standard-Ad­aptionen von denen auch namhafterer Kollegen abzusetzen. Das gelingt bei Dave Brubeck’s „In Your Own Sweet Way“ und bei Nat Adderly’s „Work Song“, aber vortrefflichsten aber bei Sting’s „Fragile“ und Ray Charles‘ „Hal­lelujah, I Just Love Her So“, beides jaz­zaffine Stücke, die aber eigentlich aus ganz anderen Ecken kommen. Ersteres ist eines der meist gecoverten Stücke des Pop überhaupt, letzteres ein durch die entfesselte Version von Steve Marriott’s Humble Pie unsterblich gemachter Rhyth’m’Blues-Kracher. Straight Ahead schaffen es tatsächlich, diese Stücke aus einem originellen Blickwinkel heraus zu betrachten. Vermutlich sind diese beiden sogar die allergrößten Treffer im Rah­men des Konzerts, das nach Aus­sage Wasileskus eine Art „Greatest Hits“-Pro­gramm darstellen soll, eine Sammlung von Kompositionen, die der Band im Laufe ihrer Existenz seit 2014 besonders ans Herz gewachsen sind.

Der Abend mit dem Straight Ahead Quartet gehört zur bereits seit langem etablierten Birdland-Reihe „jazz regio­nal“, in der in lockerer Folge qualitativ hochwertige Bands und Interpreten aus der näheren Umgebung vorgestellt wer­den, sobald sie über ein neu konzipiertes Programm verfügen, ein besonderes Pro­jekt entwickelt haben oder nach längerer Zeit ganz einfach mal „reif“ sind für ei­nen Auftritt im Club. Die Rolle, die das Birdland damit als Förderer des regiona­len Jazz einnimmt, ist um so bemerkens­werter, als es hinter jedem Konzertter­min ja durchaus mit namhaften Musikern aus der nationalen und internationalen Szene bestückte Wartelisten gibt. Und wenn eine Band, wie beim Straight Ahead Quartet an diesem Abend der Fall, diese Chance auch weidlich nutzt, geht das Konzept auf überaus erfreuliche Weise auf.