Steve Kuhn Trio | 09.11.2018

Donaukurier | Karl Leitner
 

Wann immer sich in den letzten sechzig Jahren im Jazz Entscheidendes tat, war der mittlerweile achtzigjährige New Yorker Pianist Steve Kuhn auf irgendeine Weise involviert. Der Mann spielte mit Kenny Dorham, John Coltrane und Art Farmer ebenso wie mit Ornette Coleman, Stan Getz und Don Cherry, ist also das, was man eine „Legende“ nennt, auch wenn er nicht ganz den Bekanntheitsgrad seiner Kollegen erreichte.

Einen wie ihn im Rahmen des Birdland Radio jazz Festivals in Neuburg sehen und hören zu können, ist fast schon sensationell zu nennen. Sein Spiel sei stark von Fats Waller, Bud Powell, Art Tatum und Bill Evans beeinflusst, heißt es sicherlich zurecht, Kuhns persönlichen Stil jedoch kann man an diesem Abend auch an zwei ganz real greifbaren Faktoren festmachen, nämlich zum einen an seinen Improvisationen, die sich oft recht nah an den vorgezeichneten Melodien entlanghangeln, dann aber plötzlich mit völlig unerwarteten Querschlägern aufgerissen werden, zum anderen an seinen immer wieder so überaus kunstvoll eingebauten, kreiselnden Tonspiralen und Trillern.

Zuerst ist der Kontakt der mit dem Kontrabassisten Aiden O’Donnell und dem Weltklasseschlagzeuger Billy Drummond exzellent besetzten Band zum Publikum eher verhalten, was vielleicht mit der zurückhaltenden Art Kuhns zu erklären ist. John Coltrane’s „My Shining Hour“ und Stücke wie “I Thought About You” aus dem „American Songbook“ sind in Kuhn’s Versionen zwar über jeden Zweifel erhaben, die Reaktionen bleiben jedoch vergleichsweise noch schüchtern.

Noch. Nach der Pause nämlich ändert sich das schlagartig, und schließlich scheint es so, als hätte es das Trio geradezu darauf angelegt, den ganzen Abend auf das grandiose Finale nach weit über zwei Stunden zusteuern zu lassen, die opulente Doppelnummer „Trance/ Oceans In The Sky“ nämlich, mit der sich dem Auditorium eine Art Kosmos auftut, in dem sich die drei Musiker völlig öffnen, jede Entwicklung zulassen und schauen, was passiert. Dieser letzte Abschnitt des Konzerts ist eine Offenbarung, danach sind alle erstmal sprachlos und dann begeistert. Die Zugabe anschließend ist eine freundliche Geste, aber im Grunde hätte es sie gar nicht mehr gebraucht.

Musiker wie Steve Kuhn, die die Zeit von John Coltrane, Charly Parker und Chet Baker nicht nur miterlebt sondern auch mitgestaltet haben, sind selten geworden. Dass sie beim Birdland Radio Jazz Festival ebenso ihren festen Platz haben wie die gerade aktuell Angesagten, die vielversprechende junge Garde oder auch die, die in so gar keine Schublade passen wollen, macht den Reiz des Festivals aus, das am kommenden Wochenende mit dem Rosenberg Trio, John Scofield’s Combo 66 und dem Peter Gall Quintett zu Ende geht.