Stephan Holstein Trio | 23.02.1996

Neuburger Rundschau | Reinhard Köchl
 

Er zählt zu den besten jungen Jazz-Klarinettisten Deutschlands, wenn nicht gar Europas. Als er im November den Bayerischen Staatspreis erhielt, beeindruckte er mit einer außergewöhnlichen Solodarbietung auch die Vertreter von Klassik und experimenteller Musik. Auf welch beachtliches Maß mittlerweile sogar in Neuburg die Anhängerschar von Stefan Holstein angewachsen ist, verdeutlichte sein jüngstes Konzert im Birdland-Jazzkeller. Dort, wo an schlechten Tagen selbst hochdotierte Musiker gegen leere Stuhlreihen anspielen müssen, gab es am vergangenen Freitag keinen freien Platz mehr.

Immerhin stellt die Ottheinrichstadt für das Ausnahmetalent aus Buchloe seit geraumer Zeit so etwas wie eine zweite Heimat dar. Immer wieder umrahmt er geschmackvoll Vernisagen, außerdem nahm er im Hofapotheken-Gewölbe im Herbst 1994 die erste CD unter eigenem Namen auf. Sein inzwischen umbesetztes „Clarinet Trio“ bildet auch das Gerüst für die nächste Entwicklungsphase des 33jährigen. Neben dem alten, kongenialen Partner Helmut Nieberle an der Gitarre und dem Bassisten Wolfgang Kriener strickt Stefan Holstein seit kurzem mit dem in München lebenden russischen Pianisten David Gazarov an einer neuen Identität bekannter Standards der Swingära und nicht zuletzt seiner selbst.

Durch Gazarovs sprudelndes, ideenreiches Spiel gewinnt Holsteins lyrische Klarinette voller Wärme und einem unverwechselbaren Ton nämlich noch mehr an Intensität, als bislang im bloßen Dialog mit der feinen, aber leisen Gitarre Nieberles. Gazarov und Holstein erwiesen sich im Birdland als Geistesbrüder mit ähnlichen Zielen, offen nach vielen Richtungen und vor allem bereit, den anderen zuzulassen. Daß es innerhalb des deutschsprachigen Raumes nur wenige solcher ideal für Bläser im Spannungsfeld zwischen extrovertiertem Bebop und verhaltener Kammermusik geeignete Duopartner gibt, sollte der Klarinettist auf jeden Fall für weitere Projekte nutzten.

Trotz deutlicher Vorlieben für den Stride eines Jay McShann, die perlenden Läufe eines Art Tatum und den Blues eines Ray Bryant schreckte der russische Tastenvirtuose auch nicht vor impressionistischen Klangmalereien zurück, die einen überaus reizvollen Kontrast zum mal verhangenen, mal messerscharfen Ausdruck des Buchloers abgeben. Holstein selbst vertauschte im Birdland hin und wieder sein angestammtes Instrument mit dem Tenorsaxophon, um seine programmatische Palette auf durchaus reizvolle Weise zu erweitern („Makin Whopee“), während Nieberle mit klug strukturierten Soli und Kriener mit temperamentvollem Groove, aber auch unverkennbaren Time-Problemen ihren vorgegebenen Rahmen nur selten verließen.

Der genußvolle Abend mit gefälligem Swing ohne Ecken und Kanten, der beim Publikum teilweise frenetischen Beifall hervorrief und zwei Zugaben provozierte, muß freilich nicht das Ziel aller Träume für den erst am Anfang einer großen Karriere stehenden 33jährigen darstellen. Vielleicht wäre ja das beeindruckendste Stück des gesamten Gigs, das höllisch explosive „Mobbin` the Bride“ von Django Reinhardt, bei dem sich Gazarov, Nieberle und Holstein auf eine pfeilschnelle, hochvirtuose Tour de Force begaben, oder der nervöse Charlie-Parker-Blues „Au Privave“ mit vielen überraschenden Harmoniewechseln ein Ansatzpunkt für eine Frischzellenkur?

Stefan Holstein gibt es in Neuburg jedenfalls wieder am Sonntag, 10. März, bei der Vernisage des Künstlers Helmut Walter im Arco-Schlößchen zu sehen und zu hören.