Viele Jahre lang waren die beiden Gitarristen Helmut Kagerer und Helmut Nieberle für den musikalischen Jahresausklang im Neuburger Birdland Jazzclub kurz vor Weihnachten zuständig. Dann verstarb Nieberle im Februar 2020 und Corona brachte alles durcheinander. Und in diesem Jahr ist wieder alles ganz anders.
Die Tradition, mit Mainstream Jazz aus bayerischen Landen das Jahr abzurunden, wird fortgesetzt und vom Publikum auch eifrig angenommen, was das nahezu ausverkaufte Kellergewölbe unter der ehemaligen Hofapotheke beweist, nur steht diesmal das Kagerer-Holstein Quintett auf der dortigen Bühne. Wobei Kagerer selbst – manchmal scheint es wie verhext – krankheitsbedingt verhindert ist und sein Kollege Andreas Dombert dessen Part übernehmen muss. Wie immer man die Band, die die Leute in die Feiertage entlässt, dem Namen nach also bezeichnen mag – vielleicht ja als eine Art „Bavarian Allstar Band“, mit den beiden Münchnern Holstein (Klarinette, Bassklarinette) und Thomas Stabenow am Kontrabass, dem Pianisten Bernhard Pichl aus Würzburg, dem Schlagzeuger Helmut Keul aus Bad Kissingen und Dombert aus Straubing – ist eigentlich egal. Was zählt ist das Ergebnis, oder vielmehr in diesem besonderen Abend, der Spirit, der über ihm liegt. „Memory Of You“ heißt das Programm zu Ehren Helmut Nieberles, des guten Kollegen und Freundes, der irgendwie selber mit anwesend zu sein scheint.
Zumindest in Gestalt einiger seiner wunderbaren Kompositionen wie etwa „Augustine“ oder „Swing For Two“ und seiner unvergleichlichen Arrangements. In seinen Stücken, von denen einige absolut das Zeug haben, in den Stand ewig gültiger Jazz-Standards aufzusteigen, lebt er fort. Am schwersten hat es Andreas Dombert, der kurzfristig einspringen muss. Holstein, ein umsichtiger Bandleader, überlässt ihm gleich das erste Solo des Abends. Das gibt ihm Sicherheit und später, bei Wes Montgomery’s „Road Song“ läuft er zu ganz großer Form auf. So wie gleich darauf die ganze Band, als sie Paul Desmond’s „Take Five“ als Gerüst her nimmt, um daran diverse Weihnachtslieder aufzuhängen. Die Idee dafür hatte einst Nieberle, wer auch sonst.
Die Band geht subtil zu Werke, unaufdringlich, einfühlsam, lässt sich Zeit, gibt sich selbst Luft zum Atmen. Mit Jazzbesen, einem Bass, der wie auf Samtpfoten daherkommt, und unaufgeregten Solisten schleicht sie sich förmlich in das Konzert, geht Miles Davis‘ „Blue In Green“, Julie Styne’s „You Or No One“ und „When Sunny Gets Blue“ behutsam und gleichzeitig absolut souverän an. Das verrät Stil und sicheres Gespür für die Erfordernisse der Situation. Ein Gedenkkonzert muss nicht zwingend traurig sein, aber es vertrüge sich auch nicht mit überdrehtem Aktionismus oder vordergründiger Kraftmeierei.
Mit dieser Hommage an einen Musiker, der den Club quasi als sein zweites Wohnzimmer betrachtete, entlässt das Birdland also seine Besucher in die veranstaltungsfreie Zeit zwischen den Jahren. Der Konzertbetrieb startet wieder am 6. und 7. Januar mit einem zweitägigen Gastspiel des Cécile Verny Quartets, wofür man sich allerdings bei Interesse schleunigst um Karten kümmern sollte.