Stephan Holstein Quintett „Memory Of You“ | 16.12.2022

Donaukurier | Karl Leitner
 

Viele Jahre lang waren die beiden Gitarristen Helmut Kagerer und Helmut Nieberle für den musikali­schen Jahresausklang im Neuburger Birdland Jazzclub kurz vor Weihnachten zuständig. Dann verstarb Nieberle im Fe­bruar 2020 und Corona brachte alles durch­einander. Und in diesem Jahr ist wieder al­les ganz anders.

Die Tradition, mit Mainstream Jazz aus bayerischen Landen das Jahr abzurun­den, wird fortgesetzt und vom Publikum auch eifrig angenommen, was das nahe­zu ausverkaufte Kellergewölbe unter der ehemaligen Hofapotheke beweist, nur steht diesmal das Kagerer-Holstein Quintett auf der dortigen Bühne. Wobei Kagerer selbst – manchmal scheint es wie verhext – krankheitsbedingt verhin­dert ist und sein Kollege Andreas Dom­bert dessen Part übernehmen muss. Wie immer man die Band, die die Leute in die Feiertage entlässt, dem Namen nach also bezeichnen mag – vielleicht ja als eine Art „Bavarian Allstar Band“, mit den beiden Münchnern Holstein (Klari­nette, Bassklarinette) und Thomas Stabe­now am Kontrabass, dem Pianisten Bernhard Pichl aus Würzburg, dem Schlagzeuger Helmut Keul aus Bad Kis­singen und Dombert aus Straubing – ist eigentlich egal. Was zählt ist das Ergeb­nis, oder vielmehr in diesem besonderen Abend, der Spirit, der über ihm liegt. „Memory Of You“ heißt das Programm zu Ehren Helmut Nieberles, des guten Kollegen und Freundes, der irgendwie selber mit anwesend zu sein scheint.

Zumindest in Gestalt einiger seiner wunderbaren Kompositionen wie etwa „Augustine“ oder „Swing For Two“ und seiner unvergleichlichen Arrangements. In seinen Stücken, von denen einige ab­solut das Zeug haben, in den Stand ewig gültiger Jazz-Standards aufzusteigen, lebt er fort. Am schwersten hat es Andre­as Dombert, der kurzfristig einspringen muss. Holstein, ein umsichtiger Band­leader, überlässt ihm gleich das ers­te Solo des Abends. Das gibt ihm Sicher­heit und später, bei Wes Montgomery’s „Road Song“ läuft er zu ganz großer Form auf. So wie gleich darauf die ganze Band, als sie Paul Desmond’s „Take Five“ als Gerüst her nimmt, um daran di­verse Weihnachtslieder aufzuhängen. Die Idee dafür hatte einst Nieberle, wer auch sonst.

Die Band geht subtil zu Werke, unauf­dringlich, einfühlsam, lässt sich Zeit, gibt sich selbst Luft zum Atmen. Mit Jazzbesen, einem Bass, der wie auf Samtpfoten daherkommt, und unaufge­regten Solisten schleicht sie sich förm­lich in das Konzert, geht Miles Davis‘ „Blue In Green“, Julie Styne’s „You Or No One“ und „When Sunny Gets Blue“ behutsam und gleich­zeitig absolut souve­rän an. Das verrät Stil und sicheres Ge­spür für die Erfor­dernisse der Situation. Ein Gedenkkon­zert muss nicht zwingend traurig sein, aber es vertrüge sich auch nicht mit überdrehtem Aktionismus oder vorder­gründiger Kraftmeierei.

Mit dieser Hommage an einen Musiker, der den Club quasi als sein zweites Wohnzimmer betrachtete, entlässt das Birdland also seine Besucher in die ver­anstaltungsfreie Zeit zwischen den Jah­ren. Der Konzertbetrieb startet wieder am 6. und 7. Januar mit einem zweitägi­gen Gast­spiel des Cécile Verny Quartets, wofür man sich allerdings bei In­teresse schleunigst um Karten kümmern sollte.