C’est Si Bon + 1 | 17.12.2022

Neuburger Rundschau | Reinhard Köchl
 

Alle Jahre wieder – kommt die Birdland Jazzband kurz vor Weihnachten ins Gewölbe. Oder besser: kam. Sie war traditionell quasi der Rausschmeißer für das alte Konzertjahr, eine Art finales i-Tüpfelchen auf ein Erfolgsrezept, das seit über 30 (im Hofapothekenkeller) oder gar 60 Jahren in Neuburg nahezu perfekt funktioniert: Jazz in einer Kleinstadt salonfähig, ja sogar mehrheitsfähig zu machen.

Birdland-Chef Manfred Rehm gelingt dies mit einer nahezu genialen Mischung aus allem, was das (Jazz-) Herz begehrt. Weltstars treten an einem Wochenende zumindest nach außen hin absolut gleichberechtigt neben regionalen Bands auf, amerikanische Legenden teilen sich von Freitag auf Samstag die Bühne im Hofapothekenkeller einvernehmlich mit deutschen Hoffnungsträgern und nationalen Größen, Profis dürfen ebenso in einem der mittlerweile weltbesten Jazzclubs ihre Visitenkarte abgeben, wie Amateure, traditioneller Swing beißt sich absolut nicht mit avantgardistischem Freejazz, genauso wie Akustisches mit Elektronischem, ganz zu schweigen von Aromen aus Rock und Klassik. Es ist wie eine mehr als reichhaltige Speisekarte, der es tatsächlich gelingt, ein möglich breites Publikum zu erreichen. Dabei verträgt es sich durchaus, dass Sushi neben Leberkäs angeboten wird, mal gibt es feine Novelle Cuisine, mal deftige Hausmannskost, für Veganer ist ebenso etwas dabei, wie für Fleischliebhaber. Und das Faszinierende am Birdland: Nahezu jedes einzelne (und fast immer ausverkaufte) Konzert findet sein eigenes Publikum.

Das „Lokal“ im Kellergewölbe ist alles andere als ein ganzjähriger elitärer Gourmet-Tempel. Wie bodenständig und nah an den Bedürfnissen des Publikums dort Programm gemacht wird, zeigt fast symbolisch auch das Abschlusskonzert, bei dem diesmal eben ein anderer Name, aber doch bekannte Gesichter auf der Bühne stehen. Pianist Eduard Israelov, Bassist Manfred „General“ Hartlieb, Saxofonist Sven Wittig, Vokalistin Mirelle Hanke und Urgestein Wigg Eder am Schlagzeug kennt jeder noch von der Birdland Jazzband. Bis zum Beginn der Pandemie traten sie fast 30-mal in unterbrochener Reihenfolge kurz vor Weihnachten in „ihrem Wohnzimmer“ auf. Dann folgte der Bruch. Die Visitenkarte des Clubs, dieses alte Schlachtross, ging den Weg allen Irdischen. Bedingt durch zahlreiche Besetzungswechsel hat jetzt aber Cʼest Si Bon – benannt nach Eders geschmettertem Kultsong – die Rolle des jazzenden Christkindls übernommen. Eine stille, leise und schmerzlose Wachablösung, die kaum jemandem auffällt.

Denn es klingt eigentlich wie immer, in einigen Bereichen vielleicht noch ein wenig austarierter, gesettelter, erfahrener. Was vor allem an Sven Wittig liegt, der sowohl mit dem Tenor- wie auch mit dem Baritonsaxofon einige erstaunliche Klangfarben einstreut, aber auch an der stark phrasierenden, einfühlsamen Sängerin Michelle Hanke. Eduard Israelov und Manfred Hartlieb, der tatsächlich immer noch wie ein General hinter seinem Kontrabass steht, verankern die Darbietung in einem soliden rhythmisch-harmonischen Fundament. Und dann natürlich Wigg Eder, das letzte Gründungsmitglied der alten Birdland-Band, einer vom Typ „Dino“, führt im launigen Schanzer Slang (der auch in seinen englischen Gesangstexten nie ganz verschwindet; eine Art bayerischer Yves Montand) durch den Abend – inzwischen angenehm zurückgenommen, auch was sein Drumming anbelangt. Ein Gentleman alter Birdland-Schule eben, wie seine beiden Generationskollegen Israelov und Hartlieb.

Und so entwickelt sich ein launiger, entspannter Jahresausklang, aufgeteilt in gleich drei Sets. Wann hat es das zuletzt im Birdland gegeben? Cʼest Si Bon arbeiten sich mit Lust und Akribie durch das Great American Songbook, offerieren ihrem treuen Stammpublikum Gassenhauer wie „Georgia On My Mind“, „Summertime“, Take The A-Train“, „As Time Goes By“, „Autumn Leaves“ oder „All Of Me“ und beschenken die Menschen, Neuburg und Manfred Rehm mit ihrer Lesart des Jazz. In einer mitnichten routinierten, sondern wirklich ehrlich empfundenen Dankesadresse würdigt Wigg Eder am Schluss schließlich die gewaltigen Verdienste des Impresarios und seines Freundes Manni Rehm. Er ist schließlich der Chefkoch dieses überaus bekömmlichen Jazzmenüs.
s.