Stefano Di Battista Quartet | 09.03.2001

Donaukurier | Reinhard Köchl
 

Ein episch breites Drumsolo, bedrohlich, kreiselnd und ziemlich laut. Dann ein Basston wie ein Faustschlag in die Magengrube. Auch der Pianist sucht jetzt seinen Raum, setzt Triolen auf Quinten, schichtet Skalentürme aufeinander, wirft zentnerweise Cluster aufs Elfenbein, bis der Express ins Rollen gerät. Erst langsam, dann immer schneller, druckvoll und schließlich unwiderstehlich swingend.

Vieles erinnert bei der Band, die jetzt im Neuburger „Birdland“ Jazzclub gastierte, an John Coltranes legendäres Quartett, das Anfang der 60er von sicherer Hardbop-Basis aus in das weite Universum des modalen Jazz abhob: Schlagzeuger Frank Agulhon jongliert mit ungeraden Metren, ganz wie weiland Elvin Jones, Bassist Rosario Bonaccorso baut ein Rückgrat aus grummelndem Groove und filigranen Farben im Stile von Jimmy Garrison auf, während Eric Legnini am Klavier mit seinen weiten Soundflächen der Klangarchitektonik eines McCoy Tyner ziemlich nahe kommt.

Hinter all dem steckt natürlich ein klar definiertes Ziel: Stefano di Battista, der Kopf der Gruppe, soll sich mit seinem markanten Horn heimisch, aber vor allem zu neuen Großtaten herausgefordert fühlen. Denn niemand hat sich in den vergangenen Jahren John Coltrane, den Übervater aller modernen Tenorsaxofonisten, dessen hymnischen Motivketten, eruptiven Schreie, Überblastricks, über die ganze unendliche Palette seiner Spiritualität derart geschickt zueigen gemacht, wie der 30-jährige Römer,

Di Battistas Sax brennt während der zweieinhalb Stunden seines höchst bemerkenswerten Gastspiels im Keller unter der Hofapotheke lichterloh. Selbst wenn es das drahtige Energiebündel einmal absetzt, um seine kongenialen Mitstreiter an der Verdichtung der musikalischen Struktur arbeiten zu lassen, hat es den Anschein, als ströme ein heißer, noch aus zehn Metern spürbarer Lufthauch aus dem Schalltrichter. Den Italiener, dessen Fähigkeiten mit einem Plattenvertrag beim All-American-Label „Blue Note“ geadelt wurden, jedoch nur als hemmungslosen Kopisten zu titulieren, hieße seine Botschaft fahrlässig misszuverstehen.

Ihm geht es um eine moderne Interpretation des trotz seiner Radikalität ziemlich in die Jahre gekommenen Coltrane-Stils. Eine elementare Rolle spielt dabei die Herkunft. Bei Stefano Di Battista gähnt kein schwarzer Abgrund hinter jedem Ton. Vielmehr strahlt immer noch das südländisch-wärmende Licht, die Melancholie der Canzone. Manchmal scheint es gar, als würde der Mann singen, wie sizilianische Tenores.

Seine walzernden, mit viel Mistral geblasenen Balladen erlangen durch guturale Laute einen ganz eigenwilligen, ethnischen Reiz und eine enorme emotionale Tiefe, die einen förmlich zum Umdenken, zum Verlassen sattsam bekannter Schablonen zwingt. Denn Stefano di Battistas Blues ist nicht dunkelblau, sondern purpurrot.