Das 10. Birdland Radio Jazz Festival ist eröffnet. Ort des Geschehens ist das wegen Corona nicht mal zur Hälfte besetzte aber offiziell dennoch „ausverkaufte“ Audi Forum. Vor dem Gebäude steht der Übertragungswagen des Bayerischen Rundfunks, der das Eröffnungskonzert dieses Jubiläumsfestivals aufzeichnet und – wie BR-Redakteur Roland Spiegel in der Anmoderation verkündet – am kommenden Freitag, 23. Oktober, um 23.05 Uhr auf BR4-Klassik zeitnah ausstrahlt.
Die acht Herren auf der Bühne nennen sich South West Oldtime All Stars und beschäftigen sich mit den fast hundert Jahre alten Chicago Recordings des legendären Trompeters Louis Armstrong, genauer gesagt, dessen Bands Hot Five und Hot Seven, also Stücken und seinerzeitigen Hits wie „Muscrat Ramble“ oder dem „West End Blues“, die entweder von Armstrong selbst, zum größten Teil jedoch von seiner Gattin, der Pianistin Lil Hardin, oder dem Posaunisten Kid Ory geschrieben wurden.
Warum tun sie das? Zum einen, weil die Musik aus den Kindertagen des Jazz ganz einfach gut ist und nicht vergessen werden sollte, zum anderen, weil Armstrongs Aufnahmen die erste und vielleicht sogar die wichtigste Nahtstelle in der Entwicklung des Jazz markieren. Durch ihn und seine Entscheidung, gezielte Soli künftig in den Mittelpunkt seiner Auftritte zu stellen und damit Einzelpersönlichkeiten statt eines gesamten Ensembles, etablierte Jazz als Kunstform. Nach Armstrong trat er seinen Weg an heraus aus den zwielichtigen Etablissements von New Orleans und vergleichbarer Metropolen, hinein in die Konzertsäle und damit ins Interesse der Bourgeoisie.
Die South West Oldtime All Stars zeichnen diesen Weg nach, kombinieren die ursprüngliche Ausgelassenheit mit neuen, intellektuell geprägten Arrangements. Das führt dazu, dass manche Passagen mehr „Schmiss“ haben, andere weniger. Dass das Oktett mit Martin Auer (Trompete), Gary Fuhrmann (Klarinette), Felix Fromm (Posaune), Trevor Richards (Schlagzeug), Thomas Stabenow (Kontrabass), Matthew Bookert (Sousafon), Jörg Teicher (Banjo) und Thilo Wagner (Piano) erst relativ spät zu wahrer Größe aufläuft, – dann freilich mit einem fulminanten Endspurt – mag vielleicht darin begründet sein. Mit Sicherheit aber spielt auch eine Rolle, dass – wie zu hören war – von den sieben Auftritten der kleinen Tournee des Ensembles sechs pandemiebedingt kurzfristig abgesagt wurden und schließlich nur der in Ingolstadt übrig blieb. Das muss man als Band, die nach langem Lockdown nach Spielmöglichkeiten nur so giert, erst mal verkraften. Schön, dass der Hausherr des Audi Forums und das Birdland, das die Verantwortung fürs dortige Jazzprogramm trägt, auch dann unbeirrt weiter machen, wenn die Zuschauerzahl begrenzt werden muss und somit die Einnahmen aus den Kartenverkäufen weitgehend wegbrechen.