South West Oldtime All Stars (Audi Forum Ingolstadt) | 15.10.2020

Donaukurier | Karl Leitner
 

Das 10. Birdland Ra­dio Jazz Festival ist eröffnet. Ort des Ge­schehens ist das wegen Corona nicht mal zur Hälfte besetzte aber offiziell dennoch „ausverkaufte“ Audi Forum. Vor dem Gebäude steht der Übertragungswagen des Bayerischen Rundfunks, der das Er­öffnungskonzert dieses Jubiläumsfesti­vals aufzeichnet und – wie BR-Redak­teur Roland Spiegel in der Anmoderation verkündet – am kommenden Freitag, 23. Oktober, um 23.05 Uhr auf BR4-Klassik zeitnah ausstrahlt.

Die acht Herren auf der Bühne nennen sich South West Oldtime All Stars und beschäftigen sich mit den fast hundert Jahre alten Chicago Recordings des le­gendären Trompeters Louis Armstrong, genauer gesagt, dessen Bands Hot Five und Hot Seven, also Stücken und sei­nerzeitigen Hits wie „Muscrat Ramble“ oder dem „West End Blues“, die entwe­der von Armstrong selbst, zum größten Teil jedoch von seiner Gattin, der Pia­nistin Lil Hardin, oder dem Posaunisten Kid Ory geschrieben wurden.

Warum tun sie das? Zum einen, weil die Musik aus den Kindertagen des Jazz ganz einfach gut ist und nicht vergessen werden sollte, zum anderen, weil Arm­strongs Aufnahmen die erste und viel­leicht sogar die wichtigste Nahtstelle in der Entwicklung des Jazz markieren. Durch ihn und seine Entscheidung, ge­zielte Soli künftig in den Mittelpunkt seiner Auftritte zu stellen und damit Ein­zelpersönlichkeiten statt eines gesamten Ensembles, etablierte Jazz als Kunst­form. Nach Armstrong trat er seinen Weg an heraus aus den zwielichtigen Etablis­sements von New Orleans und vergleich­barer Metropolen, hinein in die Konzert­säle und damit ins Interesse der Bour­geoisie.

Die South West Oldtime All Stars zeichnen diesen Weg nach, kombinieren die ursprüngliche Ausgelassenheit mit neuen, intellektuell geprägten Arrange­ments. Das führt dazu, dass manche Pas­sagen mehr „Schmiss“ haben, andere weniger. Dass das Oktett mit Martin Auer (Trompete), Gary Fuhrmann (Kla­rinette), Felix Fromm (Posaune), Trevor Richards (Schlagzeug), Thomas Stabe­now (Kontrabass), Matthew Bookert (Sousafon), Jörg Teicher (Banjo) und Thilo Wagner (Piano) erst relativ spät zu wahrer Größe aufläuft, – dann freilich mit einem fulminanten Endspurt – mag vielleicht darin begründet sein. Mit Si­cherheit aber spielt auch eine Rolle, dass – wie zu hören war – von den sieben Auftritten der kleinen Tournee des En­sembles sechs pandemiebedingt kurzfris­tig abgesagt wurden und schließlich nur der in Ingolstadt übrig blieb. Das muss man als Band, die nach langem Lock­down nach Spielmöglichkeiten nur so giert, erst mal verkraften. Schön, dass der Hausherr des Audi Forums und das Birdland, das die Verantwortung fürs dortige Jazzprogramm trägt, auch dann unbeirrt weiter machen, wenn die Zu­schauerzahl begrenzt werden muss und somit die Einnahmen aus den Kartenver­käufen weitgehend wegbrechen.