Sonic Boom | 04.10.2013

Neuburger Rundschau | Dr. Tobias Böcker
 

Han Bennink und Uri Caine sind unter Kennern nicht gerade der Rückwärtsgewandtheit verdächtig. Aber dass sie jede Menge Respekt vor der Herkunft des Jazz haben, wollen sie auch keine Sekunde verleugnen bei ihrem Konzert im Neuburger Birdland.

Beide vereinen die melodischen, rhythmischen und perkussiven Möglichkeiten von Klavier, Fender Rhodes und Schlagzeug zu einer klanggewaltigen Hommage an alles, was Jazz spannend macht: Improvisatorischen Erfindungsreichtum, harmonische Raffinesse, unmittelbar aufeinander eingehendes Zusammenspiel und einen selbst in den freiesten Passagen noch erkennbar zugrunde liegenden, immer wieder auch ausgespielten, unwiderstehlichen Groove.

Alle Grenz- und Regelüberschreitungen der beiden – und sie halten sich nie lang an Schranken, Pfosten und Linien auf – sind bezogen auf eine ungemein differenzierte Musikalität, welche ihre Wurzeln über Swing, Stride, Ragtime, Blues und Gospel bis ins weite Reich von Johann Sebastian Bachs wohltemperiertem Klavier ausstreckt.

Ihre hohe Virtuosität packen der holländische Schlagzeuger Han Bennink, weltweit verehrter Pionier des freien Spiels, und der in New York lebende US-amerikanische Pianist Uri Caine, profunder Grenzgänger zwischen Klassik und Jazz, in derart ausgefuchste Ideen, dass ein ums andere Mal pures Erstaunen entsteht.

Da erhebt sich aus einer harmlosen, kleinen, fröhlich swingenden Weise ein wahres Gewitter, nie aggressiv oder bedrohlich, immer aber von frappant überwältigender Kraft, und findet sich nach wahrhaft eruptiver, ausgiebiger Dekonstruktion des Ausgangsmaterials schiedlich-friedlich zurück ins freundlich schwebende Duett zweier Schöngeister.

Warm ist diese Musik, bei allem Tempo nie hektisch, bei aller Dichte nie überfordernd, wohlwollend und versöhnlich konzentriert auf die Erkundung der verborgenen Schönheit des Bekannten, die Expedition ins Neuland und das tänzerisch kreative Miteinander, Fantasie und Flair, Frische und Finesse, Esprit und die wahre Liebe zur Musik.

Ein grandioses Konzert, zu dessen Ende Han Bennink noch die klanglichen Besonderheiten einzelner Treppenstufen im Jazzkeller erkundete.