Sommerjazz 2006 – 14. – 16. Juli 2006 | 14.07.2006

Neuburger Rundschau | Dr. Tobias Böcker
 

Dass musikalische Qualität und mitreißendes Entertainment einander mitnichten widersprechen, sondern aufs Trefflichste befruchten können, zeigte einmal mehr der alte Dixie-Fuchs Chris Barber. Der 76jährige Pionier des englischen Revival-Jazz steht heute wie kein anderer für das Old-Time-Jazz-Feeling der späten 50er und frühen 60er in Europa. Die Big Chris Barber Band gab im Neuburger Schlosshof ein wunderbar swingendes Konzert von hohem Unterhaltungswert.

Zuvor brachte die Band „4 Of a Kind“ um die Lokalmatadorin Kerstin Schulz Sommerfeeling in den angenehm kühlen Schlosshof. Mit bekannten Songs wie „Night And Day“, „With A Little Help From My Friends“, „Sunny“ und „Mack The Knife“ eröffnete sie einen stimmungsvollen Abend. Neben Jazz, Pop und Blues gabs auch ein Geburtstagsständchen für einen frisch gebackenen Dreißiger sowie einen französischen Song für den neu geborenen Neffen. Schließlich legten „4 Of A Kind“ auch die Spur nach New Orleans, der musikalischen Heimat des 1930 in Welwyn Garden City geborenen Engländers Donald Christopher „Chris“ Barber.

Eine siebenköpfige Frontline von knalliger Direktheit, dahinter eine variable Rhythm-Crew, in der Bass, Schlagzeug, Banjo und Gitarre einen unwiderstehtlichen Puls schlagen lassen, alle miteinander verbunden durch einen Groove, der Impulse der guten alten Zeit mit solchen aus der frühen Rockgeschichte verknüpft, auf diese Weise Verbindungen zeigt, wie sie heute kaum mehr wahrgenommen werden, das ist schon ein ganzes Stück des Geheimnisses der Chris Barber Band und ihres seit nunmehr über 56 Jahren anhaltenden Erfolgs. Die Band war immer der Tradition verbunden, dabei nie dem Heute verschlossen, hat es immer verstanden Brücken zu schlagen, die zur Popularisierung des Jazz auch nach den 60ern einen großen Beitrag leisteten. Als Pole in der Band können der traditionsverbundene Trompeter Pat Halcox und der immer wieder im Rock Anleihen machende Gitarrist John Slauhter gelten. Neben den Old-Time-Standards kommt auch „All Blues“, der modale Klassiker des Modern Jazz von Miles Davis in überzeuggender Coolness und nonchalanter Sophistication zu Ehren. Die Bandbreite der gültigen Ausdrucksmittel in einem wiederum sehr geschlossenen Gesamtidiom dürfte die Chris Barber Band aus der Masse der Nostalgiker herausheben, selbst dann, wenn sie zum x-sten Mal mitsamt den Saints über die Bourbon Street marschiert, zum wer weiß wie vielten Mal fragt what it means to miss New Orleans, oder wenn zum Schluss das unvermeidliche Ice-Cream gereicht wird. Nicht zu unterschätzen schließlich ist die Wirkung ausgefeilter Arrangements, der Unterhaltungsfaktor einer bei aller routinierten Professionalität unmittelbar spürbaren Spielfreude und die Barber-typische Mischung aus britischem Understatement und brodelnden Sounds. Und wo schließlich könnte solches im Sommer besser zur Geltung kommen als im wunderschönen Hof der pfalzgräflichen Residenz?