Sir Roland Hanna – Nachruf | 13.11.2002

Donaukurier | Reinhard Köchl
 

Das Neuburger „Birdland“ entwickelt sich zunehmend zum Heldenfriedhof des Jazz. Im Laufe seiner nunmehr fast zwölfjährigen Existenz bot der Keller unter der Hofapotheke vielen Legenden dieser Musikrichtung eine Bühne, die längst nicht mehr unter den Lebenden weilen: Art Farmer, Milt Jackson, Nat Adderley, J. J. Johnson, Tommy Flanagan, Charlie Byrd, Jerome Richardson, Tal Farlow, Attila Zoller, Al Grey, Ray Brown oder Michel Petrucciani. Manche wie Gerry Mulligan, Harry „Sweets” Edison oder Conte Candoli absolvierten hier gar einen ihrer letzten Auftritte.

Dass mit dem Pianisten Sir Roland Hanna, der erst im vergangenen März in Neuburg sein Publikum mit einer Darbietung voller zeitloser Schönheit verzauberte, nun ein weiterer aus der Garde der Stilbildner verstarb, wirft ein bezeichnendes Licht auf die Vergänglichkeit des Jazz alter Prägung, das unmittelbar bevorstehende Ende der Gründergeneration.

Hanna, der seinen Adelstitel 1970 vom liberianischen Präsidenten verliehen bekam, weil er mehr als 100 000 Dollar für die Ausbildung junger Musiker des afrikanischen Staates sammelte, galt als einer der vielseitigsten Tastenkünstler des Genres. Im Laufe von 45 Karrierejahren bildeten sein unverwechselbares, über jeden Ruch der Kopie erhabenes Händchen sowie sein tadelloser Charakter einen unverrückbaren Maßstab in einer unruhigen Szene. Der Sir arbeitete als Sideman unter anderem für Charles Mingus, Benny Goodman, Coleman Hawkins, Carmen McRae und Sarah Vaughan. Zwischen 1965 und 1974 saß er auf dem Pianostuhl im legendären Thad Jones/Mel Lewis Orchestra (Hanna: „Ich war der unbekannte dritte Leader“).

Das Schicksal des stillen, bescheidenen Genies blieb auch den Neuburgern im März nicht verborgen. Als ihn ein Gast am Ende des Konzerts nach Tonträgern fragte, zuckte Hanna nur lächelnd mit den Achseln. Seit beinahe zehn Jahren habe ihm niemand mehr die Möglichkeit gegeben, eine Trioplatte aufzunehmen. Während der freundliche Gentleman diesen Umstand mit dem Gleichmut des Überlebenskünstlers längst akzeptiert hatte, mochte der Fan partout nicht glauben, was er da hörte: „Unmöglich, einen solch tollen Pianisten im Regen stehen zu lassen!“

Roland Pembroke Hanna starb, wie erst jetzt bekannt wurde, am 13. November in Hackensack, New Jersey, an den Folgen einer Herzmuskelentzündung. „Wir überlegen, wie wir ihn entsprechend ehren können“, sagte „Birdland“-Chef Manfred Rehm betroffen.