Simon Nabatov | 04.12.2004

Neuburger Rundschau | Dr. Tobias Böcker
 

Ein Soloabend am Piano bildet nach wie vor eine der ganz großen Herausforderungen. Das gilt zumal im Jazz. Kein Zurücklehnen in die Band, keine Impulse von außen, nur der Rückgriff auf das eigene Innenleben ist möglich. Einen ganzen Abend im Spannungsbogen zu erfüllen mit Melodie, Harmonik, Anschlagsdynamik und rhythmischer Vielfalt, dabei gleichzeitig Form und Fantasie auszubalancieren, das ist wie eine Einhandüberquerung des Ozeans. Simon Nabatov wagte sich am Bösendorfer im Neuburger Birdland solchermaßen allein auf hohe See.

Nabatov bewältigt die abenteuerliche Unternehmung mit bravouröser musikalischer Souveränität und Eigenständigkeit. Dabei dient das Motto „round about Brazil“ allenfalls als Ausgangspunkt der Reise, die weit hinaus geht auf alle sieben Weltmeere. Voll klingende mächtige Akkorde, aufeinander getürmte Cluster, die wie schwindelerregend hohe Wellenberge heran rollen, sanft gekräuselte Wolkenkuckucksheime am azurblauen Himmel auf wiegender Dünung, dann wieder splitternde Brechungen, die wirken wie Kaspar David Friedrichs Eislandschaften: Simon Nabatovs Imaginationskraft scheint keine Grenzen zu kennen. Seiner massigen Erscheinung würde kaum jemand die ungeheuere Behändigkeit zutrauen, mit der er die Klaviatur beherrscht, spielerisch leicht, rhythmisch verzinkt und versehen mit einer schier ungemessen erscheinenden Ideenfülle, die aus dem musikalischen Gedächtnis der ganzen Menschheit zu schöpfen scheint, weder Klischees noch Licks zu strapazieren braucht und an der Thelonious Monk und Sergej Rachmaninov wohl gleichermaßen ihre helle Freude gehabt haben dürften. Ein einzigartiger, ein grandioser Klavierabend!