Simon Holliday & His Rhythm | 03.03.2017

Donaukurier | Karl Leitner
 

Es gab Zeiten, zu denen der Jazz auch bei einer breiteren Öffentlichkeit richtig populär, also quasi Pop war. Er war Tanzmusik, Kulisse für ein gepflegtes Dinner oder einfach nur phon-starkes Zugpferd für die Betreiber obskurer Spelunken, deren einziges Interesse darin lag, allabendlich die Bude voll zu bekommen. Heute hingegen ist „Massentauglichkeit“ eher ein Schimpfwort und es gibt sogar Musiktheoretiker, die Musik ganz allgemein ausschließlich als Gebrauchsgegenstand ansehen und somit als Ware.

Aber ist Musik von vorne herein umso geringer einzuschätzen, je populärer sie ist? Sind also beispielsweise Simon Holliday & His Rhythm, die an diesem Abend im Birdland in Neuburg auftreten, von minderer Qualität, nur weil sie Nummern des nicht nur als Komponisten sondern eben auch als Entertainer und Geschäftsmann in eigener Sache bekannten Fats Waller spielen? Weil sie Stücke spielen, die in der breiten Masse verankert sind und somit zeitloses Allgemeingut, dies aber auf eine Weise tun, bei der man sich als Zuhörer aus Ohne Jazzabitur pudelwohl fühlt?

Ja, sie kommen an, die Herren Simon Holliday (Piano, Gesang), Andy Lawrence (Trompete), Matthias Seuffert (Alt- und Tenorsaxofon, Klarinette), Jürgen Kulus (Gitarre) und Bernard Flegar (Schlagzeug) und ihr Fats Waller-Tribute-Programm, auch beim fachkundigen Birdland-Publikum. Obwohl es vermutlich bessere Sänger gibt als Holliday, findet man heutzutage nur selten jemanden, der gleichermaßen kompetent wie locker Stride-Piano spielt, die Spielart, die Waller (1904-1943) zusammen mit James P. Johnson und Willie „The Lion“ Smith entwickelt hat, bei dem die linke Hand quasi eine ganze Band ersetzt, indem sie gleichzeitig die Funktion von Bass und Rhythmus übernimmt.

Wie Waller ist Holliday Musiker und Entertainer in Personalunion, führt humorvoll durchs Programm, das Waller‘s große Hits „Honeysuckle Rose“ und „Ain’t Misbehavin‘“ umfasst, aber auch weniger bekannte Songs aus den Bereichen Ragtime, Blues, Boogie Woogie und Traditional Jazz, jede Menge Balladen, Stomps und Novelty Songs. Natürlich sind Holliday und seine Mannen mit diesem speziellen Programm irgendwie auch das, was man landläufig als Revivalband bezeichnet und in innovativer Hinsicht vielleicht nicht unbedingt bahnbrechend. Aber Spaß hat man jede Menge mit diesem Quintett, das das  Birdland fast zum Ort einer dieser legendären House Partys in Harlem macht, bei denen Waller in den wilden 30ern die Puppen tanzen und die Whiskeyflaschen kreisen ließ und die Gebäudestatik einem Härtetest unterzog. Und ganz nebenbei dem Jazz eine Zutat hinzufügte, die auch bei heutigen, modernen Künstlern des Jazz wie auch des Blues immer noch nachwirkt.