Simon Holliday & His Rhythm | 03.03.2017

Neuburger Rundschau | Dr. Tobias Böcker
 

„I Want Some Seafood!“ Der 1943 viel zu jung verstorbene Thomas Waller war den leiblichen Genüssen nie abgeneigt. Der Spitzname „Fats“ kam nicht aus heiterem Himmel. Auch dem Alkohol sprach der Pianist aus Harlem zeit seiner nur knapp 40 Lebensjahre viel zu kräftig zu. Sein Talent zum Entertainment war bahnbrechend. Stets vergnügt und lebensstark wirkte er mit seinem kräftigen Harlem Stride-Piano Stil und seinen witzigen, ironischen, humorvollen, ungemein populären Songs. Von Louis Armstrong stammt der Satz, man brauche den Namen Fats Waller nur zu erwähnen, und: „Du kannst das Lächeln auf all den Gesichtern sehen.“

Häufig zu gering geschätzt wird seine Bedeutung für die musikalische Entwicklung des Jazz. Nicht nur, dass er einige der schönsten Jazzthemen geschrieben hat, „Honeysuckle Rose“ etwa oder den „Jitterbug Waltz“, mit dem Waller einer der ersten war, der im Jazz mit ungeraden Metren experimentierte. Art Tatum, einer der größten Pianisten alle Zeiten, berief sich auf ihn, auf die Swingfürsten Count Basie und Duke Ellington hatte er wesentlichen Einfluss, Thelonious Monk, Gründervater des Bebop, ließ immer wieder Elemente seines Spiels aufblitzen. Zudem war der Predigersohn Fats Waller der erste Musiker, der auch die Orgel in den Jazz brachte.

Der englische Pianist Simon Holliday liebt Wallers Musik seit früher Kindheit und machte sie sich als Lebenswerk zu eigen. Gemeinsam mit Andy Lawrence an der Trompete, Matthias Seuffert an Klarinette und Saxophon, Jürgen Kulus an der viersaitigen Gitarre und Bernhard Flegar am Schlagzeug brachte er sie nun im Neuburger Birdland auf die Bühne, authentisch, liebevoll und dem Gedenken an Fats Waller and his Rhythm vollauf angemessen. Songs wie „Squeeze Me“ oder „The Viper’s Diary“ erklangen da in ungebremster Vitalität und passgenauer Atmosphäre, kleine Geschichten aus dem Alltag, die u.a. mit „A Porter’s Love Song to a Chambermaid“ auch die andre Seite der Persönlichkeit Wallers zum Klingen brachten: Den sensiblen Beobachter, der seiner Harlemer Lebenswelt mit wohlwollender Genauigkeit und zärtlicher Sensibilität ein musikalisches Denkmal setzte.