Nun wissen die Jazzfans der Region endlich, was ihnen den ganzen Sommer über irgendwie gefehlt hat. Der in schöner Regelmäßigkeit, auf stets höchstem Niveau live zu erlebende und in einzigartiger Atmosphäre dargebotene Jazz aus dem Gewölbe des Birdland-Jazzclubs in Neuburgs Altstadt. Also nichts wie hin zum Eröffnungswochenende, sagten sich da wohl einige. Und so kommt es überhaupt nicht von ungefähr, dass die beiden Konzerte des Scott Hamilton European Quintets bis auf den letzten Platz ausverkauft sind.
Die Besucherzahlen sprechen für sich. Das Publikum hat anscheinend voller Ungeduld auf die Heimkehr in den Kosmos des Jazz gewartet, und Hamilton ist natürlich genau der Richtige, um die Birdland-Saison 2024/25 zu eröffnen. Wer würde sich besser eignen für die beiden Welcome-Abende als der am Tag vor dem ersten Neuburg-Gig 70 gewordene Hamilton, der „mit zeitloser Eleganz, Kraft und Anmut längst als die weiße Inkarantion des klassischen Tenorsaxofon-Hauptstroms“ gilt, wie es im Programmheft heißt, der mit dem warmen Ton eines Ben Webster und der Eleganz eines Lester Young in Verbindung gebracht werden kann. Straight Ahead und Laid Back, Spannung und Entspannung – Hamilton beherrscht die gesamte Palette, ist einer der seltenen Meister aller Klassen. Wenn man ihn hört, hört man Tenorsaxofon auf allerhöchstem Niveau, ehrlich, bodenständig, kunstvoll, aber nie künstlich, technisch überragend aber nie aufgesetzt.
Der zweite Abend – denn von ihm ist hier die Rede – beginnt mit „Minor Conception“ von Milt Jackson und Lucky Thompson, es folgen Joe Zawinul’s „Midnight Mood“, „Fine And Dandy“ und Michel Legrand’s „The Summer Knows“, womit die immense Spannbreite der Band schon mal umrissen ist. Flotte Grooves, mitreißender Swing, Balladen mit Gänsehautgarantie. Mit Hamilton, der seine Mitmusiker an der langen Leine agieren lässt und sich selber nie als Leader sondern als gleichberechtigten Partner sieht, dem Vibrafonisten Tizian Jost, dem Pianisten Bernhard Pichl, dem Kontrabassisten Rudi Engel und dem Schlagzeuger Michael Keul hat der Mann aus Providence, Rhode Island, der seit vielen Jahren bei Florenz lebt, eine absolut erstklassige Band um sich versammelt. Jeder setzt seine solistische Duftmarke, fügt sich harmonisch perfekt ein in diese bezaubernde harmonische Wohlfühl-Blase, die diesen eintretenden Heimkehr-Effekt nach längerer Abwesenheit hervorruft, in diesem Fall zu einer Musik, die man einfach nur genießen und auskosten kann, ohne vorher ein Jazzseminar besucht oder oder Hintergrundinformationen eingeholt zu haben.
Hank Mobley’s „East Of The Village“ mit diesem Monsterthema, das man stundenlang hören könnte, John Lewis‘ „Django“, „I’ve Been Accustomed To Her Face“ aus „My Fair Lady“ – das sind zwar Klassiker, aber nicht bereits bis zum Überdruss gespielte, was bei aller Wertschätzung der Tradition eben auch dafür spricht, dass Hamilton stets und immer noch offen ist für Neues, sofern es den persönlich von ihm abgesteckten Rahmen, innerhalb dessen er sich stilistisch eingerichtet hat, nicht sprengt. Was für ein Start in eine Saison die, wie man auf der Birdland-Homepage nachlesen kann, etliche weitere echte Highlights bereithält.