Feste, für lange Zeit beständige Bands gibt’s auch im Jazz, aber sie sind nicht die Regel. Oft tun sich Musiker nur für eine Produktion, ein Projekt oder eine Tournee zusammen. In unterschiedlichsten Konstellationen und aus unterschiedlichen Gründen. Manchmal steckt eine konkreter Plan dahinter, manchmal eher ein zufälliges Aufeinandertreffen und die daraus gewonnene Erkenntnis, dass man ähnliche musikalische Ideen im Kopf hat, gemeinsame Vorlieben teilt, die Chemie stimmt oder man sich einfach nur sympathisch ist.
Und dann legen sie los. Jazzer können das. Natürlich muss man Stücke und Abläufe proben, aber einen Grundkanon, eine gemeinsame Denkweise oder ein Standardrepertoire kann man schon mal getrost voraussetzen. Peter Protschka (Trompete, Flügelhorn) aus Köln, der australische Posaunist Adrian Mears und das Trio des Pianisten Carl Winther aus Kopenhagen mit Andreas Lang am Kontrabass und Andrers Mogensen am Schlagzeug, die alle in den vergangenen Jahren bereits mehrmals in Neuburg zu Gast waren, nur eben jeder mit anderen Partnern und nie alle zusammen, spielen bei ihrem Konzert im Birdland Jazzclub erst ihr elftes gemeinsames Konzert. Und harmonieren bereits jetzt perfekt, legen druckvolle Sets mit gehörig „Wumms“ hin und sind Beispiel dafür, wie aktueller, moderner Hardbop oder Post-Bob klingen kann, nämlich überhaupt nicht verstaubt, sondern vielmehr mitreißend, feurig und überaus spannend.
Die gemeinsame Basis sind die Stücke der beiden Bläser, die in der Regel im Satz die geradezu hinreißenden Themen von Stücken wie “Mina“, „Dear Con-rad“, „Stairway Down“ oder „Black Forest“ vorstellen, dann zu ihren Soli abheben und dabei Erinnerungen an Woody Shaw, Albert Mangelsdorff oder im Falle des Pianisten auch an Bill Evans wecken, während Bassist Andreas Lang im Hintergrund ganz eigene Melodien dazu entwickelt und der immens bewegliche Anders Mogensen die weiten Bögen der Bläser als permanenter Unruheherd mit ständigem Gebrodel kommentiert und für einen ungeheuer dichten Rhythmusteppich sorgt. Die rasanten Stücke enthalten immer wieder krumme Takte und ziemlich komplexe Harmonien, während die Balladen, wie etwa das anrührende „Transition“, das Protschka im Andenken an seine Mutter geschrieben hat, so richtig unter die Haut gehen.
Nachdem das Kollektiv anlässlich der Mears-Komposition „Illusion“ zum letzten Mal für diesen Abend Vollgas gegeben hat und das Publikum zum letzten Mal staunend Ohrenzeuge wurde, wie perfekt und am Schnürchen die Kooperation geklappt hat – und zwar nicht unter dem Motto „Einer für alle“ und auch nicht unter „Alle für einen“, sondern unter „Alle für alle gemeinsam“ – folgt mit der Zugabe die einzige Adaption des Abends. „Invitation“, geschrieben von Bronislaw Kaper und bekannt gemacht durch John Coltrane, fügt sich nahtlos ein in das Gesamtkonzept, passt ausgezeichnet zum Rest, weil es eine ähnliche Sprache spricht hat wie die Mears- und die Protschka-Stücke. Sollte, was durchaus anzunehmen ist, einer dieser fünf Musiker je wieder in Neuburg zu Gast sein, mit welchen Kollegen auch immer, dann ist ein Besuch dringend anzuraten. Musiker wie diese hört man nämlich nicht alle Tage. Selbst im Birdland nicht.