Sandro Roy & Unity Band | 01.10.2022

Donaukurier | Karl Leitner
 

Lange Zeit war des Subgenre des Gypsy Swing ein in sich geschlossener Kos­mos mit dem legendären Django Reinhardt als dem Maß aller Dinge. Dann kam eine Generati­on, die auch mal den Blick über den Tellerrand wagte, Leute wie Gismo Graf und Joscho Stephan. Unter diesem Aspekt betrachtet ist wohl derzeit der Mutigste von allen der Geiger und Gitarrist Sandro Roy, der mit sei­ner Unity Band an diesem Abend im Bird­land in Neuburg zu Gast ist.

Auch Roy spielt Reinhardt, ganz klar, wechselt aber ohne jegliche Grenzformalitäten hin­über in die Bereiche des Main­stream Jazz, interpretiert Film­musik, liebäugelt mit dem Pop, bringt Elemente der Klassik mit ein und hat mit „Funky Unity“ und „Funky in E“ zwei wunder­bare Fusion-Stücke im Pro­gramm, bei denen er Jean-Luc Ponty eindeutig nähersteht als Reinhardts genialen Partner Sté­phane Grapelli. So sehen musi­kalische Abnabelung und Eman­zipation aus. Er selbst sowie der großartige Boris Netsvetaev am Klavier sind die Solisten, Stefan Rey am Kontrabass und Sven Jungbeck an der Gitarre sind die Begleiter. In dieser Hinsicht ist die Band der Tradition verpflich­tet. Ein Rhythmusgitarrist spielt im Gypsy Swing nach herkömm­licher Lesart kein Solo. Bei Roy darf auch er wenigstens einmal zeigen, dass er weit mehr ist als ein menschliches Metronom an sechs Saiten.

Die Combo ist alles andere als eine Sessionband, die überlange Stücke spielen würde. Hier wur­de im Vorfeld knapp und auf den Punkt arrangiert, die Zeit für die Soli ist fest umrissen. Die bis­weilen per Keyboards erzeug­ten Harmoniespuren bleiben unauff­ällig, der Sound ist edel, bei aller Rasanz und trotz der solistischen Kabinettstückchen Roys und Netsvetaevs fast vornehm. Den­noch wirkt hier nichts steril, son­dern im Gegenteil äußerst leben­dig, auch wenn man ab und zu durchaus noch merkt, dass die Band bei den Stücken vom aktu­ellen Album „Discovery“ noch im Studiomodus ist, sich abwei­chende Liverversionen noch nicht entwickeln konnten.

Das Quartett spielt mit höchster Präzision und legt dennoch ei­nen ungemein spritzigen Auftritt hin, – der Grad der Virtuosität ist bei Gypsy-Musikern sowieso kein Thema – der hinsichtlich der Dy­namik keine Wünsche of­fen lässt. Zwischen dem klassi­schen Intro bei „Open Future“, einer wunderschönen kleinen Minia­tur, über das getragene „Precious Life“ bis hin zur Rein­hardt-Komposition „Swing 42“, mit der eine so erstklassige Band wie diese natürlich mächtig ab­räumt, wird keine Nuance ausge­lassen. Eine Sonderstellung im ersten Set nimmt sicherlich der „Bayer Kultur Swing“ ein, weil es ver­mutlich nicht alle Tage vor­kommt, dass sich ein Musiker mit einem Stück ausdrücklich für die Förderung durch einen Che­miekonzern bedankt. Und nach der Pause stehen natürlich Chick Corea’s „Spain“ und Stevie Won­der’s „ You Are The Sunshine Of My Life“ im Mittelpunkt, zwei schon immer großartige Stücke, hier im Birdland vorge­tragen von einer an dieser Stelle beson­ders feurigen, und ebenfalls groß­artigen Band.