Lange Zeit war des Subgenre des Gypsy Swing ein in sich geschlossener Kosmos mit dem legendären Django Reinhardt als dem Maß aller Dinge. Dann kam eine Generation, die auch mal den Blick über den Tellerrand wagte, Leute wie Gismo Graf und Joscho Stephan. Unter diesem Aspekt betrachtet ist wohl derzeit der Mutigste von allen der Geiger und Gitarrist Sandro Roy, der mit seiner Unity Band an diesem Abend im Birdland in Neuburg zu Gast ist.
Auch Roy spielt Reinhardt, ganz klar, wechselt aber ohne jegliche Grenzformalitäten hinüber in die Bereiche des Mainstream Jazz, interpretiert Filmmusik, liebäugelt mit dem Pop, bringt Elemente der Klassik mit ein und hat mit „Funky Unity“ und „Funky in E“ zwei wunderbare Fusion-Stücke im Programm, bei denen er Jean-Luc Ponty eindeutig nähersteht als Reinhardts genialen Partner Stéphane Grapelli. So sehen musikalische Abnabelung und Emanzipation aus. Er selbst sowie der großartige Boris Netsvetaev am Klavier sind die Solisten, Stefan Rey am Kontrabass und Sven Jungbeck an der Gitarre sind die Begleiter. In dieser Hinsicht ist die Band der Tradition verpflichtet. Ein Rhythmusgitarrist spielt im Gypsy Swing nach herkömmlicher Lesart kein Solo. Bei Roy darf auch er wenigstens einmal zeigen, dass er weit mehr ist als ein menschliches Metronom an sechs Saiten.
Die Combo ist alles andere als eine Sessionband, die überlange Stücke spielen würde. Hier wurde im Vorfeld knapp und auf den Punkt arrangiert, die Zeit für die Soli ist fest umrissen. Die bisweilen per Keyboards erzeugten Harmoniespuren bleiben unauffällig, der Sound ist edel, bei aller Rasanz und trotz der solistischen Kabinettstückchen Roys und Netsvetaevs fast vornehm. Dennoch wirkt hier nichts steril, sondern im Gegenteil äußerst lebendig, auch wenn man ab und zu durchaus noch merkt, dass die Band bei den Stücken vom aktuellen Album „Discovery“ noch im Studiomodus ist, sich abweichende Liverversionen noch nicht entwickeln konnten.
Das Quartett spielt mit höchster Präzision und legt dennoch einen ungemein spritzigen Auftritt hin, – der Grad der Virtuosität ist bei Gypsy-Musikern sowieso kein Thema – der hinsichtlich der Dynamik keine Wünsche offen lässt. Zwischen dem klassischen Intro bei „Open Future“, einer wunderschönen kleinen Miniatur, über das getragene „Precious Life“ bis hin zur Reinhardt-Komposition „Swing 42“, mit der eine so erstklassige Band wie diese natürlich mächtig abräumt, wird keine Nuance ausgelassen. Eine Sonderstellung im ersten Set nimmt sicherlich der „Bayer Kultur Swing“ ein, weil es vermutlich nicht alle Tage vorkommt, dass sich ein Musiker mit einem Stück ausdrücklich für die Förderung durch einen Chemiekonzern bedankt. Und nach der Pause stehen natürlich Chick Corea’s „Spain“ und Stevie Wonder’s „ You Are The Sunshine Of My Life“ im Mittelpunkt, zwei schon immer großartige Stücke, hier im Birdland vorgetragen von einer an dieser Stelle besonders feurigen, und ebenfalls großartigen Band.