Salomon – Godard – Dani | 08.10.2010

Augsburger Allgemeine | Reinhard Köchl
 

Bayerischer kann ein Blasinstrument kaum sein. Heimatserien, Oktoberfest, Schuhplattler: Die Tuba gehört zum weißblauen Heimatbild wie die Zugspitze. Selbst beim Gastspiel des Tubisten Michel Godard im Neuburger Birdland-Jazzclub sitzen plötzlich zwei Fans in Lederhosen, Karohemd und Trachtenhut im Publikum. Zufall oder einfach nur verlaufen?

Denn Godards musikalische Philosophie liegt von tumber Eins-Zwei-Folklore so weit entfernt wie Nähermittenhausen von Downtown/New York. Seine Tuba ploppt, prustet, plappert und perlt, ihr Bediener generiert Soundeffekte und Klangfarben, die sich mit der mal rockigen, mal psychedelischen, mal verträumten Gitarre des Slowenen Samo Salomon und den durchbrochenen Metren des italienischen Drummers Roberto Dani zu einem auf- und abebbenden improvisatorischen Konstrukt vermengen. Wenn der 49-jährige Franzose in sein Mundstück bläst, wird schnell klar, warum sein Name weltweit als Synonym für das leichtfüßige Spiel mit der schweren Tuba gilt. Wie beim menschlichen Gesang erschafft Godard jeden einzelnen Ton neu und lässt die Grenzen eingefahrener Stile weit hinter sich.

Manchmal intoniert sein massiges Horn einen bop-ähnlichen Titel wie „Catch The Train“, als würde ein Kastenwagen über eine staubige Landstraße  rumpeln. In „Fall Memories“ schiebt sich der Ton wie ein Lichtkegel durch das neblige Arrangement. Niemals schwelgend, immer knapp, bündig und auf den Punkt. Bei melancholischen Themen wie „My Rain“ erlangt die Tuba eine erstaunliche lyrische Tiefe, während ein Stück wie „Three Stories“ fast sakrale, weihevolle Züge besitzt.

Hin und wieder greift Michel Godard zum Fretless-Bass, was keineswegs sein Hauptinstrument ersetzen soll, sondern einfach nur einen Rollentausch darstellt. Er dient, fein ziselierend, unauffällig, aber unverzichtbar für den stimmigen Gesamteindruck. Im krassen Gegensatz zu seinen grandiosen Tuba-Intermezzi, bei denen seine Partner zu staunenden Zuhörern werden. Das elefantöse Horn schlängelt sich im Stile einer grazilen Eisprinzessinnen über das glatte Parkett: Hier eine Pirouette, da ein Doppel-Godard. Alles virtuos gestanden, mit Kraft, Dynamik und Eleganz. Bestnoten für künstlerischen Wert und Ausdruck. Und Ovationen für die Emanzipation eines zutiefst klischeebeladenen Instrumentes.