Šalamon – Andersen – Moses | 21.10.2022

Donaukurier | Karl Leitner
 

Manchmal wird man von den Ereignissen regelrecht überrollt. Beim Konzert des slowenischen Gitarristen Samo Šalamon, des Kontrabassisten Arild Andersen aus Oslo und des Schlagzeugers Ra Kalam Bob Moses aus Memphis,Tennessee, im Neuburger Birdland Jazzclub ist das der Fall.

Freilich darf man vorab gespannt sein, wenn ein ehemaliger Schüler John Scofields mit seiner elektrisch verstärkten Gitarre, ein als langjähriger Weggefährte Jan Garbarek’s und Don Cherry’s berühmt gewordener Tieftöner und schließlich eine legendäre Figur an Trommeln, Becken und diversen Perkussionsinstrumenten, den man vom den Bands von Pat Metheny, Paul Bley und Gary Burton her kennt, aufeinander treffen. Dass dies ein zumindest außergewöhnliches Ergebnis zeitigen würde, ist vorauszusehen, nicht jedoch das pure Abenteuer, ein derartiger Trip in unerforschte Dimensionen, den man als Zuhörer über gut 90 Minuten geboten bekommt.

Mächtige Basslinien, teils elektronisch verhallt und mit Echo versehen, durchwabern das Gewölbe, verflüchtigen sich, tauchen klanglich verändert und modifiziert, an anderer Stelle wieder auf, schneidige, durch allerlei Zusatzgeräte gejagte Gitarrenspuren legen sich darüber, das Ganze wird mit polyrhythmischen Figuren unterlegt, wobei mal Westafrika ins Spiel kommt, ein andermal Westindien und der Calypso. Passagen mit klanglich opulenten Duetten zwischen Kontrabass und Gitarre gehen ab und zu sogar mal ins Sphärische über, wozu der sparsame und gezielte Einsatz des Drumsets einen überaus reizvollen Kontrast bietet. Dann wieder entsteht aus einer zarten, zerbrechlichen Figur wie durch Zauberhand vollmundige Opulenz, geht eine kleine, liedhaften Melodie über in den Bereich des Meditativen. Manchmal hat man den Eindruck, es würden sich Klangräume öffnen, in die man als Zuhörer zusammen mit den Musikern hineinstoßen und vordringen kann.

„Rooms Of Clouds“, „Little Song“, „Ghosts“ oder „Venise“ heißen die Stücke der Band. Die meisten stammen vom Album „Pure And Simple“, wobei sich die Live-Versionen aber gehörig von denen der CD unterscheiden. Der Rahmen des jeweiligen Stückes mag festgelegt sein, was sich innerhalb dessen abspielt, ist freilich pures Abenteuer und hängt wohl auch davon ab, wie sich die Musiker gerade fühlen. Im Birdland anscheinend pudelwohl, denn Moses ist sogar kleinen Scherzen nicht abgeneigt. „Ich übe gerne auch mal nachts um halb drei. Ihr könnt euch vermutlich denken, wie das bei den Nachbarn ankommt“, sagt er.

Was hingegen beim Birdland-Publikum besonders gut ankommt, sind die kompositorischen, spieltechnischen und klanglichen Ideen Arild Andersens, der vermutlich auf den ersten Blick den nachhaltigsten Eindruck hinterlässt, das energie- und spannungsgeladene Interplay zwischen ihm und Šalamon, die ureigene Sprache voller Farben und Komplemetärrhythmen des Bob Moses. Wer anwesend war, erlebte wieder einmal einen dieser höchstwahrscheinlich unwiederholbaren Momente, die es ab und zu gibt und die man so schnell nicht vergisst. Wie alle Konzerte des „12. Birdland Radio Jazz Festivals“ kann man auch dieses auf Bayern 4 Klassik noch einmal nachhören. Der endgültige Sendetermin steht allerdings noch nicht fest.