Rudresh Mahanthappa | 02.02.2013

Neuburger Rundschau | Dr. Tobias Böcker
 

Was für ein Kontrast: Wo am Abend zuvor noch Philipp Weiss als Crooner a la Tony Bennett zarten Schmelz verbreitete, ging’s mit „Gamak“ hart auf hart zur Sache mit rasantem Groove, laut, heftig, mit Saft und Kraft und Energie in kreativer Begegnung von Ost und West.

Waitng Is Forbidden: Wohl dem, der ahnte, was auf ihn zukam, nichts für jazzige Kuschelhasen! Rudresh Mahannthappa, der im italienischen Triest geborene Amerikaner indischer Abstammung kann als wandelndes Modell gelungener Integration bezeichnet werden. Mit ungemein kraftvollem Ton, konsequentem Ansatz, vollem Sound und atemberaubendem Tempo vereint der überragende Altsaxophonist in seinem Spiel das Beste aus drei Kulturen: Die pure Lust am Fabulieren, eine geradezu mystische Hingabe an den Augenblick und einen unbändigen Drive, dazu Neugierde und Offenheit für Einflüsse aus aller Welt.

Keinen besseren Partner für die Auseinandersetzung zwischen fernöstlicher Melodiosität und dem Jazz von heute hätte sich der New Yorker in seine Band holen können als David Fiuczynski. Der Gitarrenfreak mit dem Hang zum Experimentellen und dem Sinn für chromatische Mikroschritte sorgt an der Gitarre mit zwei Hälsen, einer davon fretless, also ohne Bünde, für spacige Trips ins Ungewisse, liefert sich mit dem Saxophon heiße Duette, pendelt zwischen den Welten tonaler und atonaler Möglichkeiten und genießt den Zauber der Schräglage.

Dan Weiss zeigt sich bei aller Orientierung am Groove und bissiger Akzentuierung der Rhythmen als einer der Melodie bewusstesten, fantasievollsten und eigenständigsten Drummer, die bisher im Birdland zu erleben waren, Rich Brown am sechssaitigen E-Bass als wahrer Magier der voluminösen tiefen wie der überraschend gelenkigen hohen Töne, beide miteinander als ultimatives rhythmisches Gespann.

Gamaka bezeichnet im Süd-Indischen einen Ausdruck für melodische Ornamentik, in Mahanthappas Verständnis steht er für eine universelle musikalische Grundidee, die er sehr eigenständig interpretiert: Prog-Rock, Fusion, freier Jazz, schier kochende Magma mit weltmusikalischer Präsenz, hellwacher Interaktion, energetischer Reibung der Aggregatszustände, zuweilen exzentrischer Anmutung, wuchtig und feingestaltig zugleich, dabei in ausgewogenem Sound gut hörbar, kurzum: Spannende, aktuelle Musik, die einen Weg weist, wie die Kunst der Improvisation sich über erstarrte Rituale oder ideologische Grabenkämpfe hinaus weiter entwickeln kann.

Nicht zuletzt ein Hoch aufs Birdland, das ein Forum gibt für die ganze Bandbreite des Jazz!