Rosebud Trio | 08.02.2003

Donaukurier | Reinhard Köchl
 

Ja doch, das Thema liegt gut im Ohr: „Hey good lookin`“, ein fröhlicher Countrytitel von Hank Williams. Beginnt auch ganz gefällig im einträchtigen Tutti. Bis die ersten Jazzpuristen beim bedrohlich anschwellenden, anarchisch anmutenden Schrammeln des Gitarristen irritiert die Stirn in Falten legen.

Von Akkord zu Akkord wird den Zuhörern im Neuburger „Birdland“-Jazzclub klarer, dass hier heilige Kühe auf der Schlachtbank liegen. Die Posaune flattert wie eine wildgewordene Friedenstaube, das Tenorsaxofon grunzt wie ein Eber in der Brunft und die Gitarre torkelt mit der Schlagseite eines betrunkenen Bauern durch den Song. Good lookin`? Aber ja, wenn auch nach völlig anderen, keineswegs an normalen Kriterien zu messenden Schönheitsidealen.

Das Rosebud Trio ist ein Glücksfall für den zunehmend von Erstarrung und Gleichklang bedrohten Jazz. Ein Konglomerat aus Entdeckerlust, Grenzgängertum, Überblendung und Transparenz. Oder wie es Geoff Goodman, der verrückt-geniale, seit über einem Jahrzehnt sträflich unterbewertete amerikanische Saitentänzer aus München formulierte, „etwas zwischen Jazz, Filmmusik und Cowboysong.“ Goodman, der Posaunist Johannes Herrlich und der Tenorsaxofonist Till Martin tauschen die Rollen im fliegenden Wechsel, drehen sich penetrant in die Melodien hinein, bis diese völlig in ihren Einzelteilen danieder liegen. Das  Solo dient dabei nur noch als Ornament, die Begleitung erhöht sich dagegen zum prickelnden Drahtseilakt.

Und es gibt Ohrenkino satt. Etwa im hinreißenden „Sleep safe and warm“ von Krzysztof Komeda aus dem Horrorschocker „Rosemaries Baby“: Wie kalter Regen tropfen Goodmans Singlenotes auf den Steg, während die Bläser dieses nur scheinbar in Sicherheit wiegende Schlaflied so geheimnisvoll intonieren, dass einem fast das Blut in den Adern gefrieren will.

„Color Blindness“ entpuppt sich als atemberaubende Soundcollage mit anschwellenden dramatischen Figuren, vorbeifliegenden Bildern, Fetzen, Erinnerungen und einem wunderbar gehauchten, resignativen Tenorsolo des Komponisten Martin. Der Swingstandard „Girl Talk“ verliert durch den sanft-gläsernen Einstieg Goodmans und die dunklen Rezitationen der Posaune Herrlichs fast alles Belanglos-Geschwätzige.

Die drei ergänzen sich deshalb so perfekt, weil sie normalerweise gar nicht zusammen passen. Ein jeder bleibt konsequent seiner Linie treu, strukturiert, zerlegt, reharmonisiert das vorliegende Material nach allen Regeln der Kunst, um sich irgendwann an einer Schnittstelle des Restthemas mit den anderen zum zwanglos-konzentrierten Erfahrungsaustausch zu treffen. Selbst wenn der wunderbare Geoff Goodman im Antikriegssong „Deadman Blues Revisited“ mal zum Banjo greift und die alte Clawhammer-Technik der Hillibilly-Barden demonstriert, ist das mitnichten ein Anachronismus, sondern erfrischende Experimentiererei, munteres Herumprobieren mit Noten, Pausen, Sounds. Der Jazz von morgen? Vielleicht. Besser passen würde beim Rosebud Trio aber der Terminus „Coolcountrybop“. Well done Boys – großer Wurf!