Tempo, Hitze, Selbstbewusstsein: Die hohe Zeit des Bebop! Damals, in den 40ern, entdeckten die Jazzer in New York neu die offene Form, die Lösung vom Arrangement, die individuelle Freiheit. Mit Witz und Intelligenz steigerten sie das Tempo, erweiterten das Vokabular der Improvisation. Was in der Geburtsstunde des modernen Jazz seinen Anfang nahm, ist heute gültiger Mainstream. Mögen sich die Geister scheiden und die Gelehrten streiten, wie die Tradition zu pflegen und weiter zu entwickeln sei, es sind die Musiker, die dafür sorgen, dass die Flamme weiter getragen wird.
Rosario Giuliani hat den Spirit des Bebop und des Hardbop konzentriert verinnerlicht, spielt im Birdland mit nachgerade funkenstiebender Intensität, entlockt dem Altsaxophon wahre Kaskaden nur so purzelnder Melodien, „Lennies Pennies“ mit Dampf und Druck und Power.
Zawinuls Soul-Jazz-Klassiker „74 Miles Away“ wird eingeleitet von einem Schlagzeugsolo des großartigen Joe LaBarbera, straight ahead mit Punch und Attacke, in „Love Letters“ freilich auch mit zartem Wischen über Snare und Becken, in beiden Fällen hochgradig aufmerksam, rhythmisch variabel und optimal dosiert.
Bei aller klaren Verortung ist der Abend stilistisch sehr variabel, Roberto Tarenzi am Bösendorfer tummelt sich auf den Spuren Bud Powells und Thelonious Monks mit Groove und Tücke, Finesse und Eigensinn nicht nur in „Un des sens“. Dass Rosario Giuliani auch ein hauchfeiner Balldenspieler ist, zeigt er u.a. im eigenen „Picchi“, in dem auch Darryl Hall am Bass aus knackigem, hochtourig wendigem Vorwärtsgang zurückschaltet zu klangschönem Volumen und sanglicher Sensibilität. Wie in den Raum getupft erklingt Jimmy Rowles‘ „The Peacocks“ als Hommage an die jüngere Moderne des Jazz.
Dann wieder pure Energie mit einem in Sound und Intensität sich mehr und mehr steigernden Solo Giulianis, dessen Skalen, Arpeggien, Multiphonics sich nach beeindruckender Dichte lösen ins zupackende uptempo der Band.