Rosario Giuliani – Pietro Lussu „Parker’s Mood 101“ | 23.10.2021

Neuburger Rundschau | Dr. Tobias Böcker
 

Rosario Giuliani und Pietro Lussu ehrten im Neuburger Birdland Charlie Parker, den Pionier des modernen Jazz, auf dessen Spitznamen »Bird« sich der Name nicht nur des Neuburger Jazzclubs bezieht. Im Duo hoben sie »Parkers Mood« zum 101. Geburtsjahr des überragenden Altsaxophonisten in die Gegenwart.
Als Charlie Parker Anfang der 1940er in New York auftauchte, erregten seine kühnen Linien, sein rhythmischer Erfindungsreichtum, sein rasantes Tempo, seine impulsive Energie und seine intensive Präsenz rasch großes Aufsehen. Kaum ein Musiker hat die Geschichte des Jazz so geprägt wie er, kaum einer steht intensiver für dessen bleibende Relevanz in der Moderne. Das tragische Schicksal des Altsaxophonisten, dessen Spitzname »Bird« auch im Namen des Neuburger Jazzclubs weitergetragen wird, mindert die Bedeutung des zuweilen mit dem unerschöpflichen Genie Mozarts verglichenen Giganten der Musikgeschichte in keinster Weise: »Bird lives« stand schon kurz nach seinem viel zu frühen Tod auf den Häuserwänden New Yorks. Das gilt bis heute unvermindert fort.

Die kraftvolle Energie des Bebop-Urvaters hat sich der italienische Altsaxophonist Rosario Giuliani schon früh zu eigen gemacht. Stets rissen seine Konzerte auf der Bühne de Birdland das Publikum mit, so auch diesmal im Duo mit seinem Landsmann Pietro Lussu am Piano. Der »Tribute to Bird« der beiden wurde vom Bayerischen Rundfunk im Rahmen des Birdland Radio Jazz Festivals aufgezeichnet.

Rosario Giuliani vereint italienisches Temperament mit jener atemberaubenden Kompromisslosigkeit, die sein großes Vorbild zu einem der größten Künstler des 20. Jahrhunderts machte. Nicht nur mit »Ah Leu Cha«, einem eher selten gehörten Parker-Original, ist er dicht auf den Spuren des Unvergesslichen, auch »Be-Bop« oder »Donna Lee«, letzteres mit Parkers Original-Solo dargeboten, erinnern kongenial an die kreative Virtuosität der jazzigen Frühmoderne: Griffige Themen, wahre Tongirlanden, Tempo, Groove und Fantasie, schier von selbst sich vollziehende Virtuosität! Pietro Lussu verbindet am Bösendorfer in eigenwilliger Rhythmik Sperrigkeit und Flow zu geglückter Beweglichkeit. In munterem Miteinander spielen die beiden sich mal um mal die Bälle zu.
Giulianis eigene dreisätzige »Suite et Poursuite« hält im Reigen der Bop-Standards auf ihre ganz individuelle Weise mit, sprudelt förmlich ins Gewölbe und bezieht dabei zumal im langsamen Mittelsatz auch die Tradition Europas ein, bevor sie sich wieder dem unaufhaltsamen Tempo der Neuen Welt zuwendet.
Dass er nicht mehr nur der feurige Powerbläser früherer Tage ist, sondern auch ein überaus gefühlvoller Balladenspieler, zeigt Rosario Giuliani nicht allein in seiner geradezu ins Instrument gehauchten Version von »Lover Man«, jenem traurigen Song, der für immer mit Billie Holyday verbunden bleiben wird. Auch Pietro Lussu erweist sich hier als sensitiver Feingeist und sensibler Interpret.

Bird lives! Wo intensiver als in jenem Club, der schon im Namen sein Vermächtnis aufrecht hält, und wie anders als in einem solch beglückenden Konzert?