Charlie Parker (1920 – 1955) ist eine Legende. Schöpfer des Bebop, Mitbegründer des Modern Jazz, genialer Komponist und Altsaxofonist. Nach dem Mann aus Kansas City, den alle nur „Bird“ nannten, wurde 1949 in New York der berühmte Jazzclub „Birdland“ benannt, und Parker ist auch der Namenspatron für das Birdland in Neuburg.
Dort stehen mit dem Altsaxofonisten Rosario Giuliano und dem Pianisten Pietro Lussu zwei erklärte Bird-Fans auf der Bühne, im Gepäck das Projekt „Parker’s Mood“, das sie zu Ehren von seines 100. Geburtstag – coronabedingt um ein Jahr verschoben, deswegen der Zusatz „101“ – vorstellen. Duos unter Beteiligung eines Altsaxofonisten und eines Pianisten kommen nicht übermäßig häufig vor. Da gibt es die Zusammenarbeit von Herbie Hancock und Wayne Shorter und das Album „1+1“ von 1997, und dann sind da aktuell die beiden Italiener hier im Birdland. In ihrem Fall gibt Giuliani die Richtung vor. Er eröffnet die Parker-Stücke, so etwa „Ah Leu Cha“, „Parker’s Mood“, „Quasimodo“ und „Lover Man“ und beschließt sie auch. Lussu gestaltet jeweils den Mittelteil und fungiert ansonsten eher als Begleiter. Dieses Prinzip wird das ganze Konzert über durchgehalten, was nicht weiter verwunderlich ist, denn das Programm dreht sich ja um das Saxofon.
Giuliani hat die Spielweise seines Vorbildes quasi in sich aufgesogen. Er spielt Girlanden und Kaskaden in rasendem Tempo, kreiert opulente Ausschmückungen und Ornamente. Indem er sich rhythmischer Verschiebungen und waghalsiger Dissonanzen annimmt, gleichzeitig aber melodische Schlüssigkeit bevorzugt, nähert er sich seinem Idol behutsam an, ohne sich freilich ihm aufzudrängen. Das hat er auch gar nicht nötig, denn seine 26-minütige, dreiteilige „Suite Poursuite“ ist zwar Parker nachempfunden, deren griffige Sequenzen, die er unter den Bezeichnungen „Afro“, „Ballad“ und „Uptempo“ laufen lässt, verrät jedoch deutlich seine eigene Handschrift.
Der Aspekt der Emotionalität hat an diesem Abend einen einen sehr hohen Stellenwert. Wer bei Giuliano ab und zu meint, Ausbrüche von purer Spiellust und Lebensfreude herauszuhören, liegt vermutlich gar nicht so falsch. Denn wie er selbst sagt, gebe es für ihn keinen einzigen Grund, alleine für sich Musik zu machen. „All die Streams während des Lockdowns sind höchst unbefriedigend. Das gemeinsame Erlebnis „Musik“ zusammen mit dem Publikum ist durch nichts zu ersetzen. Wir geben euch etwas, ihr gebt uns etwas zurück. Nur so funktioniert es.“ sagt er, und das Publikum, das anscheinend exakt seiner Meinung ist, erklatscht sich zwei Zugaben, unter anderem das berühmte „Donna Lee“ inklusive des Originalsolos aus dem Jahre 1947. Was für ein reizender Ausklang dieser Hommage an einen der ganz Großen des Jazz, überaus reizvoll in Szene gesetzt von seinen Enkeln. Selbstverständlich in Kooperation mit dem Publikum vor Ort, vom Bayerischen Rundfunk aufgezeichnet und somit der Nachwelt erhalten.