Rosario Giuliani – Pietro Lussu „Parker’s Mood 101“ | 23.10.2021

Donaukurier | Karl Leitner
 

Charlie Parker (1920 – 1955) ist eine Legende. Schöpfer des Be­bop, Mitbegründer des Modern Jazz, ge­nialer Komponist und Altsaxofonist. Nach dem Mann aus Kansas City, den alle nur „Bird“ nannten, wurde 1949 in New York der berühmte Jazzclub „Bird­land“ benannt, und Parker ist auch der Namenspatron für das Birdland in Neu­burg.

Dort stehen mit dem Altsaxofonisten Rosario Giuliano und dem Pianisten Pie­tro Lussu zwei erklärte Bird-Fans auf der Bühne, im Gepäck das Projekt „Parker’s Mood“, das sie zu Ehren von seines 100. Geburtstag – coronabedingt um ein Jahr verschoben, deswegen der Zusatz „101“ – vorstellen. Duos unter Beteiligung ei­nes Altsaxofonisten und eines Pianisten kommen nicht übermäßig häufig vor. Da gibt es die Zusammenarbeit von Herbie Hancock und Wayne Shorter und das Al­bum „1+1“ von 1997, und dann sind da aktuell die beiden Italiener hier im Bird­land. In ihrem Fall gibt Giuliani die Richtung vor. Er eröffnet die Parker-Stü­cke, so etwa „Ah Leu Cha“, „Parker’s Mood“, „Quasimodo“ und „Lover Man“ und beschließt sie auch. Lussu gestaltet jeweils den Mittelteil und fungiert an­sonsten eher als Begleiter. Dieses Prinzip wird das ganze Konzert über durchgehal­ten, was nicht weiter verwunderlich ist, denn das Programm dreht sich ja um das Saxofon.

Giuliani hat die Spielweise seines Vor­bildes quasi in sich aufgesogen. Er spielt Girlanden und Kaskaden in rasendem Tempo, kreiert opulente Ausschmückun­gen und Ornamente. Indem er sich rhyth­mischer Verschiebun­gen und waghalsi­ger Dissonanzen annimmt, gleichzeitig aber melodische Schlüssigkeit bevor­zugt, nähert er sich seinem Idol behut­sam an, ohne sich freilich ihm aufzu­drängen. Das hat er auch gar nicht nötig, denn seine 26-minütige, dreiteilige „Sui­te Poursuite“ ist zwar Parker nachemp­funden, deren griffige Sequenzen, die er unter den Bezeichnungen „Afro“, „Bal­lad“ und „Uptempo“ laufen lässt, verrät jedoch deutlich seine eigene Handschrift.

Der Aspekt der Emotionalität hat an diesem Abend einen einen sehr hohen Stellenwert. Wer bei Giuliano ab und zu meint, Ausbrüche von purer Spiellust und Lebensfreude herauszuhören, liegt vermutlich gar nicht so falsch. Denn wie er selbst sagt, gebe es für ihn keinen ein­zigen Grund, alleine für sich Musik zu machen. „All die Streams während des Lockdowns sind höchst unbefriedigend. Das gemeinsame Erlebnis „Musik“ zu­sammen mit dem Publikum ist durch nichts zu ersetzen. Wir geben euch et­was, ihr gebt uns etwas zurück. Nur so funktioniert es.“ sagt er, und das Publi­kum, das anscheinend exakt seiner Mei­nung ist, erklatscht sich zwei Zugaben, unter anderem das berühmte „Donna Lee“ inklusive des Originalsolos aus dem Jahre 1947. Was für ein reizender Ausklang dieser Hommage an einen der ganz Großen des Jazz, überaus reizvoll in Szene gesetzt von sei­nen Enkeln. Selbstverständlich in Kooperation mit dem Publikum vor Ort, vom Bayerischen Rundfunk aufgezeichnet und somit der Nachwelt erhalten.