Der im New Yorker Stadtteil Brooklyn geborene Tenorsaxofonist Noah Preminger ist auf dem Weg an die Spitze. 2017 wählte ihn das Fachmagazin Down Beat zum „Rising Star“, 2019 bereits war er zum ersten Mal zu Gast im Birdland Jazzclub in Neuburg, jetzt steht er erneut auf der dortigen Bühne. Der Bayerische Rundfunk schneidet das Konzert für das derzeit laufende Birdland Radio Jazz Festival mit und im Auditorium sind alle Plätze belegt.
Mit „Promises Kept“ aus dem Album „Contemptment“ von 2020 beginnt das weit über zweistündige Konzert. „Versprechen gehalten“ also. Ja, denn obwohl „2020 für uns alle ein schreckliches Jahr war“, wie Preminger sagt, ist der Mann mit dem so auffällig variablen, an Schattierungen und Finten so reichen Ton – wie erwartet und versprochen – unaufhaltsam auf dem Weg nach oben. Trompeter Jason Palmer, vor zwei Jahren noch mit ihm auf der Bühne, wurde ersetzt durch den Gitarristen Max Light, der sich mit Preminger duelliert, sich an ihm reibt, ihn kongenial unterstützt, dass es eine wahre Freude ist. Das Stück „Hey J.“ ist zwar ausdrücklich Palmer gewidmet, Light allerdings ist der aktuelle und ideale Sparringspartner für Preminger. Er führt dessen Ideen weiter, bearbeitet, verfeinert sie. In seinen Soli tauchen immer wieder Figuren auf aus der Improvisation seines Chefs kurz davor. Wobei die Sache natürlich auch in umgekehrter Richtung funktioniert. Das ist perfekte Interaktion. Und die beiden beteiligen auch den Kontrabassisten Kim Cass und den Schlagzeuger Dan Weiss daran.
Hier sprechen vier Musiker, obwohl jeder eine eigene Art des Solierens hat, doch mit einer Stimme. Das sieht, hört und spürt man. Das Quartett steht dicht zusammen, ist musikalisch in jeder Sekunde vernetzt und tickt auch in emotionaler Hinsicht gleich. Beispiel „Iris“: Eine wunderbar zärtliche Komposition als Andenken an Premingers Großmutter, ein sehr subtiles Stück Musik voller Empathie. Gegenbeispiel „Hygge“: Das ist dänisch und bedeutet „Spaß“, wobei folglich also die Post abgeht und die Band enorm Druck aufbaut, der dann bei „The Late 90’s“, einer Hommage an Joshua Redman, einem von Preminger’s frühen „Heroes of Jazz“ regelrecht zum akustischen Orkan wird. Und am Ende bei „Halfway To Hartford“ kocht die Band dann so richtig und das Auditorium ist begeistert.
Preminger ist gerade mal 35 Jahre alt, gehört also zu den jungen Musikern des Jazz, zu dessen Hoffnungsträgern. Angesichts seines Einfallsreichtums, seiner Reife als Komponist und seiner bereits jetzt deutlich erkennbaren eigenen Stilistik erfüllt er genau die Erwartungen, die man schon vor der pandemiebedingten Zäsur an ihn hatte. Und er geht seinen Weg an die Spitze unbeirrt weiter Nimmt man das Birdland-Konzert als Maßstab, ist er bereits dort angekommen. Wozu aber auch die besondere Atmosphäre des Ortes beiträgt. „Seroiusly, this is one of the greatest clubs worldwide“, sagt er. Wenn dieses Kompliment aus dem Munde eines Musikers kommt, der ständig in New York arbeitet, der „Hauptstadt“ des Jazz, tut dies natürlich besonders gut.