Noah Preminger Quartet | 22.10.2021

Donaukurier | Karl Leitner
 

Der im New Yorker Stadtteil Brooklyn geborene Tenorsaxo­fonist Noah Preminger ist auf dem Weg an die Spitze. 2017 wählte ihn das Fach­magazin Down Beat zum „Rising Star“, 2019 bereits war er zum ersten Mal zu Gast im Birdland Jazzclub in Neuburg, jetzt steht er erneut auf der dortigen Büh­ne. Der Bayerische Rundfunk schneidet das Konzert für das derzeit laufende Birdland Radio Jazz Festival mit und im Auditorium sind alle Plätze belegt.

Mit „Promises Kept“ aus dem Album „Contemptment“ von 2020 beginnt das weit über zweistündige Konzert. „Ver­sprechen gehalten“ also. Ja, denn obwohl „2020 für uns alle ein schreckliches Jahr war“, wie Preminger sagt, ist der Mann mit dem so auffällig variablen, an Schat­tierungen und Finten so reichen Ton – wie erwartet und versprochen – unauf­haltsam auf dem Weg nach oben. Trom­peter Jason Palmer, vor zwei Jahren noch mit ihm auf der Bühne, wurde er­setzt durch den Gitarristen Max Light, der sich mit Preminger duelliert, sich an ihm reibt, ihn kongenial unterstützt, dass es eine wahre Freude ist. Das Stück „Hey J.“ ist zwar ausdrücklich Palmer gewid­met, Light allerdings ist der aktu­elle und ideale Sparringspartner für Pre­minger. Er führt dessen Ideen weiter, be­arbeitet, verfeinert sie. In seinen Soli tauchen im­mer wieder Figuren auf aus der Improvi­sation seines Chefs kurz davor. Wobei die Sache natürlich auch in umgekehrter Richtung funktioniert. Das ist perfekte Interaktion. Und die beiden beteiligen auch den Kontrabassisten Kim Cass und den Schlagzeuger Dan Weiss daran.

Hier sprechen vier Musiker, obwohl je­der eine eigene Art des Solierens hat, doch mit einer Stimme. Das sieht, hört und spürt man. Das Quartett steht dicht zusammen, ist musikalisch in jeder Se­kunde vernetzt und tickt auch in emotio­naler Hinsicht gleich. Beispiel „Iris“: Eine wunderbar zärtliche Kompo­sition als Andenken an Premingers Groß­mutter, ein sehr subtiles Stück Musik voller Empathie. Gegenbeispiel „Hygge“: Das ist dänisch und bedeutet „Spaß“, wobei folglich also die Post ab­geht und die Band enorm Druck aufbaut, der dann bei „The Late 90’s“, einer Hommage an Joshua Redman, einem von Preminger’s frühen „Heroes of Jazz“ regelrecht zum akustischen Orkan wird. Und am Ende bei „Halfway To Hartford“ kocht die Band dann so richtig und das Auditorium ist begeistert.

Preminger ist gerade mal 35 Jahre alt, gehört also zu den jungen Musikern des Jazz, zu dessen Hoffnungsträgern. Ange­sichts seines Einfallsreichtums, seiner Reife als Komponist und seiner bereits jetzt deutlich erkennbaren eigenen Stilis­tik erfüllt er genau die Erwartungen, die man schon vor der pandemiebedingten Zäsur an ihn hatte. Und er geht seinen Weg an die Spitze unbeirrt weiter Nimmt man das Birdland-Konzert als Maßstab, ist er bereits dort ange­kommen. Wozu aber auch die be­sondere At­mosphäre des Ortes beiträgt. „Seroiusly, this is one of the greatest clubs worldwi­de“, sagt er. Wenn dieses Kompliment aus dem Mun­de eines Mu­sikers kommt, der ständig in New York arbeitet, der „Hauptstadt“ des Jazz, tut dies natürlich besonders gut.