Ron Carter Quartet | 12.03.2009

Neuburger Rundschau | Dr. Tobias Böcker
 

(Audi Forum Ingolstadt)

Alles hat seine Zeit. Das Aufbegehren und die Gelassenheit, der Sturm, die Ruhe davor, die Ruhe danach. Kaum einer hat die emotionalen und menschlichen Extreme des Jazz so kompromisslos vermessen wie Miles Davis. Dass sein Mitstreiter und Mitbruder aus dem berühmten zweiten Quintett des Meisters einen Konzertabend dem „lieben Miles“ widmet zeugt von ungebrochener Wertschätzung und – im besten Sinne – Traditionsbewusstsein: Die Fackel weiterzutragen statt in der Asche zu wühlen.

Dabei setzt Ron Carter intensiv auf musikalisches Selbstbewusstsein: Die Zeit des Zorns ist vorbei. Es ist laut gesagt, was laut zu sagen war. Nun geht es in allem coolem Understatement an die Feinarbeit, die nachhaltig wirksame Substanz in einer Gegenwart, die sich selbst erst noch begreifen will. Einer wie Ron Carter kann sie’s lehren. Gar nicht erst der Versuch, an eine der klassischen Besetzungen des Jazz anzuknüpfen, kein Hauch von Bläser vor der Rhythmus-Crew. Mit Stephen Scott am Piano, Payton Crossley am Schlagzeug, Rolando Morales an der Percussion und dem eigenen Bass setzt Carter auf eine brillant eingespielte, filigran Groove-betonte Kombination, wiederum aber: nie laut, nie vordergründig. Das Ron Carter Quartet geht in eindringlicher Sorgfalt sehr pfleglich mit der Musik um, die es spielt, hierin sehr nah an Miles Davis. Aufmerksam, kultiviert und sorgsam, zuweilen auch mit dezentem Humor, geben die Vier ein Konzert, dessen Atmosphäre fast einen Klassik-Abend erinnern mag, vereinen in äußerst wirkungsvoller Reduktion musikalische Elemente des Cool Jazz und des modalen Spiels, Einsprengsel aus dem Impressionismus und Anregungen der Bossa Nova sowie die hohe Kunst der nicht gespielten Noten zu einem subtil genussreichen Gesamtkunstwerk. Von allerhöchster Faszination der stets präsente Groove, die luzide Transparenz, die erhabene Finesse im noch so kleinen Detail, die Dramaturgie der Stücke, das punktgenau ineinander greifende Zusammenspiel, das bei aller Präzision wie ein perlender Quell der Frische wirkt. Der Abend wird als echter Meilenstein der Reihe „Jazz im Audi Forum“ in Erinnerung bleiben.