Lew Soloff Quartet | 07.03.2009

Neuburger Rundschau | Clara Fiedler
 

„Wenn ich eine hohe Note höre, dann ist dies die einzige Note, die ich im Augenblick spielen kann“, soll Charlie Parker einmal gesagt haben. Und genau so klingen sie, die schwindelnden Höhen, in die sich der New Yorker Trompeter Lew Soloff bei seinem Konzert im Neuburger Birdland begab. Nicht bemüht, nicht auftrumpfend, sondern, als wären diese unglaublichen Töne, die er dem Instrument entlockt, die einzig richtigen an dieser Stelle, an der er sie spielt. Keine leichte Kost, diese Musik. Ein Quartett von nahezu absurder Virtuosität und bombastischer Präsenz. Die Klänge, die sie produzieren, endlos weite Flächen, wie Bilder aus einer unerforschten Welt. Elektrisierend, exzentrisch, exzessiv, erhaben. Und dennoch handelt es sich dabei um die Gassenhauer, die in jedem Real Book zu finden sind. Eigentlich etwas, dass das musikalische Aufnahmevermögen des normalen Hörers um Grade übersteigt. Man verliert die Übersicht über die Form und damit auch die Kontrolle über das, was in einem selbst dabei passiert.

Es ist, als würde man Beobachter seiner eigenen Person, als könne man nur noch wahrnehmen und nicht mehr analysieren. Und dabei hört man nichts anderes als „Come rain or come shine“, einen Klassiker, dem die meisten Besucher an diesem Abend wahrscheinlich schon hunderte Male gelauscht haben.
Vielleicht liegt es daran, dass doch jeder der vier Musiker seine ganz eigene Magie hat. Da ist Jean-Michel Pilc am Piano, der eine einfache Tonleiter als das spielt, was sie ist: der Ursprung jeder Improvisation. Und plötzlich bekommt eine Skala ihren Sinn zurück, ist nicht mehr leere Etüde, nicht mehr Mittel zum Zweck, sondern das Zentrum, die Formel für den Ausdruck jeder Emotion.
Billy Hart am Schlagzeug wirkt auf den ersten Blick fast unbeteiligt. Er braucht Raum, bekommt ihn auch und nutzt ihn. Seine Soli sind keine pompösen Sturmgewitter, fast scheint es, als nehme er sich ein winziges bisschen Zeit zwischen den Schlägen, ein Ruhepol, der der Band gut tut, und trotzdem weder nachlässig, noch roh, sondern gehaltvoll und prägnant.
Bassist Francois Moutin spielt auch in den Höhen angenehm sauber und nie gehetzt, bietet den Zuhörer eine Pause zum Atmen.
Und schließlich Lew Soloff selbst, der Mann des schlüssigen Wahnsinns, der von der einen Sekunde auf die andere von watteweich auf messerscharf umschwenkt, der auf eindrucksvolle Weise klar macht, dass es egal ist, wie viele Noten man spielt, solange jede davon in die Tiefe geht und der vor der Pause noch schnell die Witzchen seines „großen Mentors“ Dizzy Gillespie auspackt, mit dem Argument, Trompeter müssten schlechte Witze erzählen, um ihre Lippen zu schonen. Nach Soloffs „Lieblingslied“ „Old devil Moon“, beendet die Truppe den Abend mit einer von Pilcs Eigenkompositionen mit dem Titel „The golden Key“. Diffus ist sie, die Nummer, wie Sonnenstrahlen, die durch die Blätterdecke eines Baums dringen. Dann der erste Trompetenton, tieftraurige, stahlblaue Klarheit, konstant, schwerelos.
Soloff schließlich verabschiedet sich mit einem Witz. So, als hätte es das alles nie gegeben.