Ron Carter Quartet | 21.09.2021

Donaukurier | Karl Leitner
 

Es gibt viele herausragende Kontrabassisten im Jazz, aber die Institution an diesem Instrument ist Ron Carter. Wenn der 1937 in Michigan geborene Gigant zu Gast im Birdland ist, wird sogar der ansonsten veranstaltungsfreie Dienstag zum Konzerttag und die Jazzfans strömen aus ganz Süddeutschland zusammen.

Was macht diesen Ron Carter so besonders? Dass er auf über 2.200 offiziell veröffentlichten Tonträgern zu hören und damit der gefragteste Musiker des Jazz überhaupt ist? Dass er mit dem einfühlsamen Pianisten Donald Vega, dem dezent agierenden Payton Crossley am Schlagzeug und dem immens ausdrucksstarken Tenorsaxofonisten Jimmy Greene eine handverlesene, exzellente Band mit ins Birdland bringt, bei der er zwar als Chef fungiert, sich aber gleichzeitig als Primus inter Pares versteht? Dass er so hinreißende Eigenkompositionen wie „Little Waltz“ und auch Fremdmaterial wie „There’ll Never Be Another You“ und Miles Davis‘ „Seven Steps To Heaven“ so absolut überzeugend interpretiert? Dass ihm mit seinem großen Solo anlässlich Charles Mitchell’s „You Are My Sunshine“ schließlich ein wahrer – man kann es schier nicht anders bezeichnen – „Geniestreich“ gelingt?

Das alles zeichnet Ron Carter an diesem Abend im Birdland aus, macht das Konzert zu einer Sternstunde im mit Top-Acts ja nicht gerade spärlich besetzten Programm des Clubs. Das Einzigartige aber ist sein Ton, dieser lässige, kräftige, klare und volle Sound, auf den er so viel Wert legt, der aber gleichzeitig so ungemein leicht ist, niemals übertreibt, auf dem man es sich als Zuhörer so wunderbar bequem machen kann, der immer auch Sicherheit ausstrahlt. Wobei man stets aber auch die Kraft spürt, die hinter seiner Spielweise steckt, diese regelrecht zu greifende Spannung. Carter konserviert die Dramatik des Augenblicks die ganze Zeit über, spielt mit ihr, gibt den Grad der Intensität vor, lässt seinen Mitmusikern aber auch Raum, sich auf dem von ihm vorgegebenen Level zu entfalten. „Bei uns weiß niemand, was wann genau passiert“, sagt Carter über seine Band.

Nun, was im Birdland tatsächlich passiert, ist offensichtlich. Magische Momente, hervorgerufen von einer Persönlichkeit, die nie ihr Ego vor sich her trägt, sondern sich und ihre Virtuosität ganz in den Dienst der Musik stellt. Schade, dass man dieses Konzertereignis nicht in konservierter Form mit nach Hause nehmen kann. Auf den beiden CDs „Foursight: Stockholm Vol.1“ und „Vol.2“ finden sich zwar Teile Programms wieder, aber kein Auftritt ist wie der andere, vor allem bekanntlich im Jazz nicht.

Dass es am Ende keine Zugabe gibt, nimmt Carter niemand krumm. Schließlich ist er 83 und hat gut zwei Stunden mit Maske gespielt, hat sie nur kurz für die Ansagen abgenommen. Das ist überaus anstrengend. Und außerdem war nach einem kurzen Ausflug zu John Coltrane’s „A Love Supreme“ – ja, auch mit ihm hat er Platten aufgenommen – und seinem Dank ans Publikum in Form von „You And The Night And The Music“ ja eh alles gesagt. Ein wahrlich denkwürdiger Abend im Birdland.