Roman Schwaller sextet – „The Thurgivian Suite“ | 06.05.2006

Neuburger Rundschau | Dr. Tobias Böcker
 

Eine ausgewachsene Jazzsuite in acht ausführlich durcharrangierten Sätzen: Wer traut sich so etwas noch zu in Zeiten, in denen der Jazz so zerrissen wie der Rest der Welt nach legitimen Formen sucht? Roman Schwaller hat es gewagt und mit seiner farbenprächtigen und dabei gar nicht ländlich-idyllischen „Thurgovian Suite“ Beachtliches hervorgebracht. Von der Live-Tauglichkeit des nur vordergründig akademisch wirkenden Projekts konnten sich die Jazzfans im Birdland ausgiebig und eindrucksvoll überzeugen

Dass ein Jazzer vom Kanton für eine Auftragskomposition engagiert wird um seiner Heimat ein modern klingendes musikalisches Accessoire zu verpassen, dürfte auch im aufgeschlossenen Teil der Schweizer Kulturwelt eher die Ausnahme sein. Rein akustischen Straight-ahead-Jazz von solider Post-Bop-Prägung verbindet Schwallers Suite mit biographsch-musikalischen Notizen und Geschichten, deren Hintergründe der Tenorsaxophonist mit leisem Augenzwinkern immer mal wieder auch verbal erläutert. Durchaus humorvoll und mit narrativem Flair versehen spinnt sich ein Reigen, der in Schwallers Geburtsjahr und -ort 1957 mit „Frauenfeld“ beginnt, sich fortsetzt mit „Adolescence“ und u.a. über „Kreuzlingen 1973 – The Blues“ und „Expatriation 1977“ zur „Recurrence 1996“ führt. Zur lebendigen Realisation des wichtigsten Projekts seines bisherigen Lebens, wie Schwaller betont, habe er sich die beste Band seiner bisherigen Musikerlaufbahn zusammengesucht: Da ist also Oliver Kent mit sublim perlendem Spiel am Bösendorfer, Thomas Stabenow mit ungemein fingerfertig groovendem Bass, Mario Gonzi mit differenziert austariertem Drumming. Da ist eine Frontline mit Druck, Präzision und kompakter Substanz. Roman Schwaller überzeugt wie je mit seinem voluminös geblasenem Tenorsaxophon, sonorem Sound und zupackender Phrasierung, der Trompeter Derrick Gardner mit Power, Klarheit und Brillianz, der Posaunencrack Adrian Mears mit der ihm eigenen virtuosen Direktheit. Alles in allem stellte die Band mit der „Thurgovian Suite“ eindrucksvoll unter Beweis, dass – falls man es noch nicht wüsste – die Schweiz sehr viel mehr zu bieten hat als lila Kühe und Schokoladenosterhasen mit rotem Halsband.
Nota bene: Die Ballade „Part VI Reconnaissances“ (Anerkennung) widmete Schwaller im Konzert dem im Vorjahr verstorbenen Augsburger Fabrikanten Walter Fauser, einem dem Jazz gewogenen Gönner und langjährigen Stammgast im Neuburger Birdland Jazzclub.