Roman Schwaller Nonett | 05.10.2001

Donaukurier | Reinhard Köchl
 

(Audi Forum Ingolstadt)

Es tummelt sich alles, was Rang, Namen und einen Schalltrichter hat. Sechs Hörner – große, kleine, dicke, dünne, krumme, gerade, hohe, tiefe.

Nichts Einheitliches, Gerades, sondern heterogener, komplexer Schall. Mit einer wichtigen Gemeinsamkeit: Jedes der Blasinstrumente erfährt an diesem Abend im museum mobile des Ingolstäder Audi-Forums eine höchst virtuose Bedienung. Und das Meer der Nuancen, Klangfarben fügt sich zu einem mächtigen, fliegenden Sound. Ein Paternoster für Stimmungen, Emotionen, Philosophien. Etwas, das im Jazz eben nur eine Formation kann, die größer ist als eine Small Group, aber nicht die Breiigkeit und Unbeweglichkeit einer Big Band vor sich herschiebt.

Im Prinzip hat Roman Schwaller mit der Zusammenstellung seines internationalen Nonetts alles richtig gemacht. Der Schweizer Tenorsaxofonist bietet seinen Zuhörern eine Mischung aus dem, was Jazz einfach unverwechselbar erscheinen lässt, ohne gleich in die Rubrik „Gemischtwarenladen“ abzugleiten: Knackige Tutti, verästelte Arrangements, grandiose solistische Intermezzi und unwiderstehlichen Swing. Ganz davon abgesehen, dass er sich selbst und seinen Musikerfreunden damit einen lang gehegten Herzenswunsch erfüllt. Nur das Publikum nahm diese Steilvorlage am Donnerstagabend wieder einmal nicht auf. Auch beim zweiten Konzert der Reihe „Jazz im Audi Forum“ (das ausverkaufte Gastspiel von Freddie Hubbard musste wegen der Ereignisse des 11. September abgesagt werden) blieb gut die Hälfte der Stühle unbesetzt.

Gerade aber wegen der diesmal wirklich vorzüglichen Akustik des museum mobile sollten sich die Veranstalter (Audi-Forum und „Birdland“-Jazzclub Neuburg) nicht entmutigen lassen. Die große Bühne im Kinosaal böte genügend Entfaltungsspielraum, um die Phantasie aus ihrem Käfig zu befreien. Schwallers Nonett münzte die anfangs leicht unterkühlte Stimmung in einen Brückenschlag zwischen den poetischen Notenfeldern der Moderne und den ästhetischen Parametern der Cooljazz-Phase eines Miles Davis um. Keine überkochende Bebopsuppe, sondern eher ein prickelnder Soda auf Eis mit einem Schuss Gin.

Jedes Solo wirkt, als ob es mit der Kippe zwischen den Fingern gespielt wurde: lässig, relaxt, aber durchaus konzentriert. Die „Exoten“ unter den sechs Bläsern stecken dabei den Claim ab. Der junge Schweizer Domenic Landolf an der Bassklarinette im schattenumwehten „Alone Together“ mit eigenwillig brummelnder, cooler Linienführung. Der New Yorker Tom Varner, der es in „La Ballad pour Pitete“ verblüffend versteht, sein Waldhorn (!) mit der rechten Hand im Schalltrichter wie eine Trompete zu modulieren. Oder der erstaunlich behände österreichische Tubist Ed Partyka, dessen Koloss sich gerne und oft mit tänzelnden Bocksprüngen in den Vordergrund drängt.

Die „konservative“ Frontline koloriert dezent die offenen Freiflächen: Peter Tuscher am Flügelhorn als unnachahmlich lyrischer Erzähler, Johannes Herrlich an der Posaune mit wellenförmigen Bluesfiguren und Boss Roman Schwaller im klassischen Tenorsax-Duktus als expressiver Frager. Mit Hilfe ihres natürlich autoritären Rhythmustrios (Piano: Claus Raible, Bass: Thomas Stabenow, Drums: Mario Gonzi) gelingt ihnen Musik von der Qualität einer hölzernen Skulptur: fein gedrechselt, warm, spannend, voller verborgener und offener Reize.