James Moody | 05.10.2001

Donaukurier | Reinhard Köchl
 

Geschichten und Geschichtchen, Kalauer, Witze. James Moody erzählt, oder besser nuschelt so, als stünde dort oben ein Alleinunterhalter vor einer Horde vergnügungssüchtiger Nachtschwärmer. „Ich bin seit 50 Jahren in die selbe Frau verliebt.“ Pause. „Wenn das meine Frau herauskriegt, bringt sie mich um.“ Gelächter. Bob Hope hätte so etwas unter Garantie auch nicht besser hingekriegt.

Dann jault und jodelt er gar schauerlich durch den Keller unter der Neuburger Hofapotheke, verbiegt den Edelstandard „Pennies from Heaven“ wieder einmal zu „Bennie`s from Heaven“, der Antwort einer Soldatenbraut, die ihren heimkehrenden Mann mit einem Kind überrascht, oder deklamiert, über beide Ränder seiner etwas aus der Mode geratenen Hornbrille hinaus grinsend, überfallartig eine Art Seniorenrap. Alter schützt vor Clownereien nicht. Oder besser: Vor der inzwischen fast schon verpönten Kombination von Entertainment und Jazz, die der inzwischen 76-jährige Tenorsaxofonist einst von seinem Lehrmeister Dizzy Gillespie gelernt hat.

Moody – soviel liegt auch beim zweiten Konzert des Bebop-Pioniers im Neuburger „Birdland“-Jazzclub nach 1997 klar auf der Hand – will seine Klientel nicht mit verkopften Skalenjagden und fiependem Obertongefummel nerven. Der stets freundliche Gentleman aus Savannah/Georgia transportiert die Musik seines Herzens in erster Linie als unterhaltendes Element, ohne dabei freilich in die seichten Niederungen der Beliebigkeit abzugleiten.

Im Prinzip beherrscht er jedes gängige Saxofon und verfügt über einen eigenen, allzeit erkennbaren Sound sowie ein instinktives Gefühl für Swing. Seine Querflöte flattert in „Cherokee“ (das natürlich bei Moody unbedingt silbenverkehrt „Keerocher“ heißen muss) einem Schmetterling gleich leicht und schwerelos daher. Wenn er in „Once I had a secret Love“ zum Tenor greift, fallen einem sämtliche gängigen Amerikanismen für dieses Instrument ein: smooth, gentle, sophisticated. Oder cremig, luftig, mild. Ein Ton wie das Sahnehäubchen auf einem Capuccino. Sein erstaunlich scharf akzentuiertes Alto dagegen durchschneidet einem Messer gleich jede Note, während er mit dem Soprano keck und frech im freien Flug rollende Harmonien umzuschichten vermag.

Moodys Mood: Das ist Entspannung auf hohem Niveau, vor allem weil es der virtuose Schalk immer wieder versteht, wirklich herausragende Musiker für seinen Jazzklamauk zu gewinnen. Die drei, die er diesmal mit nach Neuburg brachte, hätten auch als Pianotrio überall auf der Welt eine wirklich exzellente Figur abgegeben.

Während Adam Nußbaum, der seismographische, fast tänzelnde Drummer, und Todd Coolman, der Bassist mit den trocken-eleganten Walking-Linien, ihren langjährigen Boss wie aus dem Effeff kennen und sich bei dessen Zoten noch immer ein Grinsen kaum verkneifen können, schien der wunderbaren Renee Rosnes am Klavier ihre Rolle als Lückenfüllerin zwischen den Pointen weniger zu behagen.

Ganz augenscheinlich hätte die introvertierte Kanadierin mit indischen Wurzeln gerne mehr gespielt, ihr unglaublich farbenreiches, verästeltes, lyrisches pianistisches Spektrum in seiner ganzen Pracht ausgebreitet. Doch die Umstände erfordern halt manchmal Beschränkung, vor allem wenn es sich beim Boss um den letzten Standup-Comedian des Modern Jazz handelt.