„Jazz? – Da kenn ich mich nicht aus.“ „Ist mir zu anstrengend.“ „Würde mir sowieso nicht gefallen.“ – Ohne jemals einen Ton Jazz gehört zu haben, wird oftmals die vorgefasste und nicht selten nur nachgeplapperte Meinung vertreten. Dabei wäre es mit ein bisschen Risikobereitschaft und Entdeckerfreude so einfach, das eigene Vorurteil zumindest mal auf seine Richtigkeit hin zu überprüfen.
Zum Beispiel mit der Roberto Bossard New Group aus der Schweiz, deren Konzert im Birdland Jazzclub eine geradezu ideale Möglichkeit ist, Neueinsteigern den Zugang zu diesem musikalischen Kosmos zu ermöglichen. Man braucht für die Stücke aus dem aktuellen Album „Nostalgia“, um die sich das Programm rankt, kein Jazz-Abitur, die Harmonien sind wohltuend, die Melodien gehen gut ins Ohr und die Solisten halten sich an die kompositorischen Rahmenbedingungen. Es gibt kein für ungeübte Ohren befremdliches „Gedudel“ und keine extravaganten Exkursionen in unwirtliches Gelände. Stattdessen ist das Konzert eine echte Werbung für die Sache des Jazz, der man im Laufe des Abends liebend gerne erliegt.
Roberto Bossard (Gitarre), Toni Bechtold (Tenorsaxofon), Lukas Gernet (Kla-vier), Raffaele Bossard (Kontrabass) und Dominic Egli (Schlagzeug) entfalten sich über einem behutsam geknüpften Rhythmusteppich, improvisieren nah am melodischen Grundgerüst und legen Wert auf ein einwandfreies Klangbild. Nachdem der Mann an den Drums die anfangs doch recht dominante Snare in den Griff bekommen hat, läuft die Sache auf sehr wohltuende Art rund und geschmeidig. Flotte Stücke und lyrische Balladen wechseln sich ab und Roberto Bossards Spielweise, in der sich Jim Hall und Wes Montgomery nachträglich die Hand reichen, ist – ebenso wie die herrlichen Soli des Pianisten – verantwortlich für den steten Flow, der charakteristisch ist für die beiden Sets.
Die Roberto Bossard New Group spielt unangestrengt und leichtfüßig, ihr Ding ist der Mainstream, vielleicht an manchen Stellen sogar die Abteilung Easy Listening, was aber keinesfalls heißt, an diesem Abend geschähe irgendetwas Beliebiges oder Belangloses. Nein, jedes Stück hat seinen ganz speziellen Charakter, und der wird sehr charmant herausgearbeitet, nur eben nicht akademisch, sondern auf eine Art und Weise, die beim Hörer Wohlbefinden erzeugt und ihm ein Lächeln ins Gesicht zaubert. Auch die beiden Adaptionen, „A Thousand Kisses Deep“ von Leonard Cohen und „Miss Otis Regrets“ von Cole Porter, bei der es trotz der wunderschönen, fast lieblichen Melodie, im gesungenen Original um Gattenmord und Lynchjustiz geht, passen diesbezüglich optimal ins Bild.
Das Konzert der Roberto Bossard New Group an diesem Abend im Birdland ist eines, das geradezu einlädt, hinsichtlich des Jazz „auf den Geschmack“ zu kommen. Aus dem anhaltenden Schlussapplaus des Publikums kann man folgern, dass diese Offerte auch liebend gerne angenommen wurde.