Es ist ein erhabener Sound, der einem da im Keller unter der Hofapotheke entgegenschlägt. Keine populistische „Hardbop-Mucke“, wie sie die Museumswächter des Jazz leider viel zu häufig und nahezu ohne eigenes Profil aufwärmen. Knisternd, flirrend, würdevoll, robust, (im besten Wortsinn) maskulin, elegant, cool, was keineswegs mit kühl verwechselt werden sollte: So präsentiert sich die erlesene und vor allem bestens eingespielte Crew um den Kölner Trompeter Peter Protschka und den amerikanischen Tenorsaxofonisten Rick Margitza im erfreulich dicht besetzten, fast ausverkauften „Birdland“.
Eine Wertschätzung, die das fachkundige Neuburger Publikum einer der versiertesten Bands des zeitgenössischen traditionellen Jazz entgegenbringt. Im Gegenzug ebnet das unbestechliche Kriterium „Qualität“ sofort jeden Weg ins Ohr. Wenn Protschka sein Flügelhorn für einen dezent forschen Ritt durch das Dickicht der Sechsachtel-Takte zum Mund führt, dann wirkt dies wie ein spannendes Kapitel aus einem Krimi von John le Carré. Rick Margitza passt zu ihm wie ein zweieiiger Zwilling. Der 56-Jährige aus Dearborn/Michigan, der an der Seite von Miles Davis erste Bekanntheit erlangte und sich auf Augenhöhe mit Legenden wie McCoy Tyner, Chick Corea, Tony Williams oder Bobby Hutcherson zu einem der Größten seines Faches emporschwang, will in dieser Formation nie Star sein, sondern Primus inter pares, Gleicher unter Gleichen. Wellenförmig schiebt er seine Saxofonlinien unter den Erzählstrom, bindet die Dramaturgie und wirkt wie ein Beleuchter, der im richtigen Moment die passende Stimmung evoziert.
In dieser Geschichte in mehreren Kapiteln besetzt Martin Sasse eine elementare Rolle. Der sich vor allem in den vergangenen zehn Jahren ganz erstaunlich entwickelnde und mittlerweile in der absoluten Weltklasse des Mainstream-Jazz angelangte Pianist, liefert wahlweise funkige, swingende oder lyrische Sprenkel und launige Episode wie den torkelnden Jazz-Walzer „A Groovy Affair“. Für Tempo und frivole Kurzweil sorgen Drummer Tobias Backhaus und „Mr. Bass“ Martin Gjakonovski, der sich allmählich anschickt, der Tieftöner mit den meisten Auftritten im „Birdland“ zu werden.
Eines erkennt man bereits nach dem ersten Song: Protschka, Margitza und Co. haben Bock darauf zu spielen; jeden Abend aufs Neue. Hier reißt niemand seinen Job herunter. Die fünf Männer in den besten Jahren leben ihren ganz persönlichen Jazz-Traum, tauchen in ihre eigenen Klangwelten ein, verschmelzen zu einer organischen Einheit, in der es keine Egos mehr gibt, sondern nur noch ein tiefes inneres Einverständnis, knackige Grooves, wunderbare Melodien und geniale Läufe. Die innige Ballade „Cry Me A River“ zum Beispiel erlangt durch Margitzas Horn eine Strahlkraft, die den ganzen Keller in ein imaginäres Dunkelblau mit einem feuerroten Kern tauscht. Seine Soli sind faszinierende Wechselspiele aus Schatten und Flimmern, aus rhapsodischen Linien und girlandenartig gebundenen Skalen, aus heiseren Überblastricks und klaren, festen Tonkaskapden.
„E. Jones“, die Ode auf Superdrummer Elvin Jones, beginnt wie ein Gewitter: rollend, mächtig, imposant, voller Elektrizität. Für die daraus resultierenden Entladungen ist diesmal Protschka mit seinen temperamentvollen, aber allzeit kontrollierten Glissandi und MP ähnlichen Salven zuständig. Es ist eine eigenwillige, selten erlebte Klasse, die dieses Quintett transportiert. Ein erfrischendes Anderssein, das man am ehesten im Vergleich zu anderen, künstlich „hochgejazzten“ Bands erkennt. Was dort mitunter krachend scheitert und im besten Fall mit Routine überspielt werden kann, klappt in dieser perfekt funktionierenden Combo wie von selbst.