Roberto Di Gioia’s „Web Web“ | 05.10.2018

Neuburger Rundschau | Dr. Tobias Böcker
 

Zum Einstieg gleich die Welturaufführung eines nagelneuen Stücks, drei davon gab‘s insgesamt: Das Mindesthaltbarkeitsdatum dieser Band scheint auch in der Vorbereitung ihres dritten Albums noch lange nicht erreicht. Mit Roberto DiGioia, Tony Lakatos, Christian von Kaphengst und Peter Gall haben sich vier ausgezeichnete Protagonisten der deutschen Jazzszene zusammengetan um ihr ganz eigenes musikalisches Netz zu knüpfen: „Web Web“ heißt die Formation, viel mehr als nur eine Zusammenfügung von vier Musikern. Als echte Band zeigten sie sich im Neuburger Birdland, mit gemeinsamer Linie in starker Interaktion und kompaktem Miteinander. Darauf waren schon die Kompositionen aus, die sich nicht allein mit der Vorgabe von Themen begnügen, sondern durchdachte Durchgängigkeit zeigten.

Dazu dann noch eine Überraschung: Tony Lakatos, der sich in der jüngeren Vergangenheit reichlichst Meriten als Saxophonist erspielt hat, wartete mit der Querflöte auf und reicherte seine mal elegischen, mal feuerspeienden Linien auf dem Sopran- und Tenorsaxophon mit jenen weichen, silbrigen Klängen an, die für die im Jazz eher selten zu hörende Flöte so typisch sind. Flexible, entspannte, zugleich spannende, groovebetonte Musik gab‘s also zu erleben, vom zarten Hirtengesang Illyriens bis zur packenden Bewegung urbaner Aktualität, mit Energie und Feeling. Lakatos Finger tanzten da nur so über die Klappen, in schier endlos erscheinendem Atem loderte die pure Leidenschaft. Der von Roberto DiGioia an Flügel und Fender Rhodes zumeist eher dunkel gehaltene Hintergrund bildete dazu die ideale Folie. Der Initiator und Spiritus Rector von „Web Web“ zeigte sich als wahren Klangmaler mit wohl gefüllter Palette. Der ausdrucksreichen Schattierung und dem charakterstarken Sound, stets erkennbar in eigenem Anschlag und nuancierter Klangmischung, blieb dabei auch das eine oder andere elektronische Elementarteilchen nicht fremd. Bassist Christian von Kaphengst, erst jüngst im Birdland zu Gast mit dem Wolfgang Haffner Trio, bewährte sich einmal mehr als wuchtiger, voluminöser, stabiler und starker Rückhalt und entscheidender Anker des Geschehens, das durch Peter Galls variables, elastisches Schlagzeugspiel je und je auf den fliegenden Teppich entführt werden wollte. „Web Web“ zeichnete sich aus durch die Gleichzeitigkeit von Zusammenhalt, Zusammenhang und Verbindung wie von Lockerheit, Offenheit und Flexibilität. Masche für Masche will das Netz geknüpft sein, die Knoten weit genug voneinander entfernt und doch in fester Nähe. Nicht das statische Nebeneinander, sondern die fließende, dynamische Verbindung über die Knotenpunkte hinweg erzeugt die eigentliche Substanz. Darin zeigte diese Band wahre Meisterschaft.