Riccardo del Fra Trio | 12.11.2011

Neuburger Rundschau | Dr. Tobias Böcker
 

Die ersten leisen Töne, zarte Flageoletts vom Bass, schleichen sich förmlich in den Keller, gehen über in weiche melodische Figuren: „I’m Old Fashioned“. Die Weise wird vom Piano aufgenommen, vom Schlagzeug angefeuert und mit Groove hinterlegt. Im Mittelpunkt bleibt über weite Strecken als substantielles Soloinstrument der Bass des Ricardo del Fra.

Der 1956 geborene Römer gehört seit den späten 70ern, als ihn Chet Baker in seine europäische Begleitband holte, zu den anerkanntesten Tieftönern des Kontinents. Sein lyrisches, stark Melodie betontes Spiel zeichnet sich vor allem aus durch einen sehr kultivierten, weichen, vollen Ton. Von wegen plump, von wegen Basisarbeit, von wegen Hintergrund was immer mit dem Bass assoziiert werden mag.

Allein das Intro zu „Autumn Leaves“ – nichts könnte besser passen an diesem Herbstabend in Neuburg an der Donau – ist großes akustisches Kino. Kaum ein Bassist dürfte eine solch gelungene Balance an Präsenz und Sensitivität, Selbstbewusstsein und poetischer Ader, zupackendem Sound und lyrischem Duktus auf die Bühne bringen, konsequent am Song, unerschöpflich in der improvisatorischen Ideenfülle.

Reizvoll kontrastreich wird der Bass umrahmt. Auf der eines Seite Marc Copland am Piano in versunken lyrischem Spiel. Der New Yorker ist einer der eigenständigsten Pianisten unserer Tage, erhaben über jeden Vergleich, jede Schublade, jede Kategorisierung. Was Copland in die Tasten gibt, ist durchdacht, erarbeitetet, sorgsam erspielt und doch in jeder Sekunde neu, improvisiert, spontan geantwortet auf den Moment und dessen Spirit, nie laut, aufdringlich oder plakativ, stets angemessen, real und konsequent in leisem, nachdrücklichem Ernst: Musik mit offenem Visier, offenem Fenster, offenem Horizont!

Dazu trägt nicht wenig bei das zuweilen fast irritierend herausfordernde, andererseits sehr einfühlsame, sparsame, biegsame Schlagzeugspiel von Victor Lewis, einem Drummer mit Gespür, Erfindungsgabe und Humor. Transparent, locker, konzentriert aufs Wesentliche zeugt sein Spiel davon, wie sehr ein Drummer einen Song prägen kann.

In ungemein intimem swing ertönt George Gershwins „But Not For Me“. Piano, Bass und Schlagzeug stehen in stets lebendigem Austausch, verschieben fast unmerklich die Gewichte vom einem zum anderen Instrument, präsentieren wunderbar leicht klingende Soli, konzentrierte Dialoge, interaktive Diskurse.

Chet Bakers „I Am A Fool To Want You“ beginnt in sensibler Melancholie, bringt urplötzlich ein spürbar swingendes Einvernehmen zwischen dem eher introvertierten Copland und dem sanguinischen Lewis. Der setzt mit „Hey, It’s Me Your’e Talking To“ ein so klares Statement für selbstbewusstes Auftreten wie Marc Copland mit „The Bell Tolls“ erzählerische Kraft beiträgt. Inmitten steht, singt, swingt, berührt der Bass Ricardo del Fras: „Bye Bye Blackbird“. Ein großer Abend im Neuburger Birdland.