Riccardo del Fra Quintet & Kurt Rosenwinkel | 01.02.2019

Donaukurier | Karl Leitner
 

Das Programm des Konzerts nennt sich wie das dazugehörige Album. „Moving People“ – Menschen auf Wanderschaft, Menschen unterwegs. Die Band, die es dem von Beginn an entzückten und am Ende restlos begeisterten Publikum im Birdland Jazzclub vorstellt, ist das italienisch-französisch-polnisch-deutsche Quintett des Bassisten Riccardo del Fra, das durch Kurt Rosenwinkel, den amerikanischen Meistergitarristen, komplettiert wird.

„Moving People“ aus der Feder Del Fra‘s ist ein kompositorischer Leckerbissen, das ist schnell klar, und durch die Zusammenarbeit des Bandleaders mit Thomasz Dabrowski (Trompete), Jan Pax (Alt-, Sopransaxofon), Nicolas Fox (Schlagzeug) und Carl-Henri Morrisset (Piano) und schließlich Kurt Rosenwinkel wird es auch zu einem akustischen. Bereits die Eröffnungsnummer, das dramatische „Ressac“, löst Assoziationen aus. Wer würde beim Stichwort „Brandung“ nicht automatisch an Flüchtlinge, Migranten und Boat People denken, noch dazu, nachdem man glaubt, neben dem Wellengang und der Dünung auch noch Morsezeichen aus dem Klangbild herauszuhören? Wer würde bei „Children Walking Through A Minefield“ nicht an Kriegsgräuel und Vertriebene denken, noch dazu, wenn nach einem Marsch-rhythmus zu Beginn die Komposition am Ende regelrecht zerfetzt wird?

„Street Scenes“, „The Sea Behind“, das hinreißende Titelstück “Moving People”. – Im Grunde besteht der Abend aus einer Aneinanderreihung von Höhepunkten. Die Balance zwischen straff organisierten, mit unglaublicher Präzision gespielten, auskomponierten und meisterlich arrangierten Teilen und den individuellen Beiträgen jedes einzelnen Musikers könnte ausgewogener und passender nicht sein. Wie das Saxofon, die Trompete oder die Gitarre sich auf den Rhythmus aufschwingen, auf ihm reiten, Pirouetten drehen und dadurch wiederum die Intensität der Pulsgeber anstacheln, wie sich also alles gegenseitig aus dem Augenblick heraus bedingt und doch dem von Del Fra vorgegebenen Plan folgt, ist vermutlich einzigartig.

Rosenwinkel als Gast fügt sich nahtlos ein in Del Fra’s so überaus homogenes Quintett. Natürlich ist er der heimliche Star des Abends, und der Exkurs zu seinen eigenen Stücken „A Shifting Design“ und „Under It All“ ist brillant, wichtiger als persönliche Selbstdarstellung aber sind auch ihm die „Moving People“ und diese großartigen Kompositionen über ein permanent aktuelles Phänomen, das anscheinend nicht in den Griff zu kriegen ist. Dass vor dem Hintergrund eines globalen Dramas so unglaublich schöne Musik entstehen kann, erfreut die Sinne und das Herz und stimmt gleichzeitlich zuversichtlich.